Paul Tschurtschenthaler (1874–1941)

Paul Tschurtschen­thaler wurde zu seinem 70. Todestag im Jahr 2011 eine eigene Ausstel­lung gewid­met, die vor allem die Zeit des Faschis­mus in Bru­neck und – noch genauer – die soge­nan­nte Option in den Mit­telpunkt gerückt hat.

Gedenk­tafel für Paul Tschurtschen­thaler am Haus Nr. 39 in der Bru­neck­er Stadt­gasse. Foto: Stadtarchiv Bru­neck 2021.

Paul Tschurtschen­thaler wurde 1874 als Sohn des Got­tfried und der Anna Stem­berg­er in Bru­neck geboren. Nach dem Gym­na­si­um in Brix­en studierte er Natur- und Rechtswis­senschaften in Inns­bruck und trat danach in den Jus­tiz­di­enst ein. Er war zunächst Richter in Imst. Bere­its 1909 grün­dete er dort ein Ortsmu­se­um und kaufte gemein­sam mit seinem Fre­und, dem Maler Thomas Walch, Ausstel­lungstücke zusam­men, die ger­ade in jen­er Zeit ständig davon bedro­ht waren, von Antiq­ui­täten­händlern massen­haft außer Lan­des verkauft zu wer­den. Noch vor dem Ersten Weltkrieg war Tschurtschen­thaler Bezirk­srichter im Sarn­tal, Lan­des­gericht­srat beim Kreis­gericht Bozen und Grund­buch­san­le­gungskom­mis­sär. In dieser Zeit hat­te er Gele­gen­heit, im südlichen Tirol weit herumzukom­men, was sich in seinen zahlre­ichen Pub­lika­tio­nen niedergeschla­gen hat, von denen das Bru­neck­er Heimat­buch und Bauern­leben im Puster­tal wohl die bekan­ntesten sind. 1912 grün­dete Tschurtschen­thaler den Muse­umsvere­in Bru­neck mit anfänglich 38 Mit­gliedern. Nach sein­er Ver­set­zung nach Lan­deck aber begann der Nieder­gang des Muse­ums, der natür­lich auch durch den Ersten Weltkrieg bed­ingt war. In der Zeit des Faschis­mus wurde Tschurtschen­thaler nach Turin ver­set­zt und eröffnete danach eine Recht­san­walt­skan­zlei in Bozen. 1933/34 zog er mit sein­er Fam­i­lie nach Bru­neck, wo er als Grund­buchan­le­gungskom­mis­sar für die Bezirke Wels­berg, Ahrn­tal und Enneberg sehr zurück­ge­zo­gen lebte.

In sein­er Tätigkeit als Grund­buch­san­le­gungskom­mis­sär hat­te Tschurtschen­thaler sowohl vor dem Ersten Weltkrieg als auch in den Jahren nach 1933/34 Gele­gen­heit, in direk­ten Kon­takt zur Bevölkerung zu treten. In seinem Buch Es lebt ein Volk an Rienz, Eisack und Etsch nimmt vor allem die Episode über einen Aufen­thalt im Taufer­er Ahrn­tal bre­it­en Raum ein, aber auch die Erhe­bun­gen in Enneberg wer­den aus­führlich behan­delt. Hier­aus kön­nen wir schließen, dass Tschurtschen­thaler diese Kapi­tel ab 1933 geschrieben hat. Inter­es­sant ist, wie sich der Bru­neck­er Beamte, der sich mehrere Wochen, ja sog­ar Monate „im Feld“ aufhielt, der ländlichen Bevölkerung angenähert hat, mit ethno­graphis­ch­er Genauigkeit ihre Lebensweisen beschreibt. Er begeg­net Vertretern der ländlichen Bevölkerung, die am Anfang des 20. Jahrhun­derts noch weit­ge­hend unberührt von touris­tis­ch­er Erschließung, Indus­tri­al­isierung und Mobil­ität, in ein­er vornehm­lich agrarisch und katholisch geprägten Welt lebten, die Tschurtschen­thaler durchge­hend in roman­tisieren­der Weise als heile Welt beschrieb, der er nos­tal­gisch nach­hing, da ihm sog­ar das Städtchen Bru­neck als zu fortschrit­tlich und – in neg­a­tiv­er Hin­sicht – weltof­fen erschien.

Weit­er­führende Lit­er­atur:

  • Paul Tschurtschen­thaler und seine Zeit/e la sua epoca. Eine Ver­anstal­tungsrei­he im Zeichen Bru­neck­er Zeitgeschichte/Una serie di appun­ta­men­ti all’in­seg­na del­la sto­ria con­tem­po­ranea di Bruni­co. Ausstel­lungskat­a­log, Bru­neck 2011.
  • Anton Dör­rer, Paul Tschurtschen­thaler (1874–1941), in: Hubert Stem­berg­er (Hg.), Bru­neck­er Buch. Festschrift zur 700-Jahr-Feier der Stadter­he­bung. Zweite Auflage, durch zahlre­iche Abbil­dun­gen, Lit­er­aturhin­weise, eine Zeittafel und ein Reg­is­ter ergänzt von Alois Dis­ser­tori (Schlern-Schriften 152), Inns­bruck 2003, 249–262.
  • Josef Gasteiger Wiesenegg / Mar­got Pizzi­ni Dal­sass (Bearb. unter Mitar­beit von Ober­mair Hannes  und Pfeifer Gus­tav, mit ein­er Ein­führung von Lech­n­er Ste­fan), Nir­gends mehr daheim. Paul Tschurtschen­thalers Bru­neck­er Chronik 1935–1939, Bozen 2000.
  • Josef Gasteiger Wiesenegg (Hg.), Paul Tschurtschen­thalers Bru­neck­er Chronik 1939–1941. So geh ich als ein­samer Men­sch hin­weg. Mit ein­er Ein­führung von Ste­fan Lech­n­er, o.O. 2011.
  • Siehe auch: Geschichtswerk­statt 2011: „Paul Tschurtschen­thaler und seine Zeit“

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