Eine Almordnung aus dem 18. Jahrhundert von Andreas Oberhofer

Eine Hand­schrift im Stadtarchiv erlaubt inter­es­sante Ein­blicke in das Tirol­er Almwe­sen der frühen Neuzeit. Das Doku­ment aus dem 18. Jahrhun­dert mit dem etwas umständlichen Titel Antzai­gung und unter­richt, wie man denen gebrauch der Staller Albm gehal­ten hat, iez­tundt halt und hin­fi­ran ohn­ver­rück­ht hal­ten soll regelt die Nutzung der Staller Alm, die in einem Hochtal zwis­chen dem Antholz­er Tal und Defreggen auf 1950 m Meereshöhe liegt. Die Alm gehört zum Typus der Einzelsied­lung (im Gegen­satz zum Alm­dorf), sie war eine gemis­chte Alm mit Melk‑, Galt- und Klein­vieh, auf der gesen­nt wurde. Die Almord­nung ist ver­mut­lich die Abschrift ein­er älteren Aus­fer­ti­gung, die aus Anlass der Über­gabe der Alm an einen neuen Besitzer aufgeschrieben wurde.

Der Besitzer („Almherr“), der seine Wiesen, Kasern (Sennhüt­ten) und Kästen (Vor­rat­sräume, Stadel) über den Som­mer ver­pachtete, legte die Regeln für die Wei­de von Kühen, Pfer­den und Ochsen, Schweinen, Ziegen und Schafen fest. Die Bestand­sleute hat­ten die Alm in gutem Zus­tand zu erhal­ten und beizu­tra­gen, ihren guten Ruf zu erhal­ten. Das Vieh sollte die Gren­zen der Alm nicht über­schre­it­en (diese Gren­zen sind genau beschrieben), Holz durfte nur für den Eigenbe­darf geschla­gen wer­den. Als Hirten soll­ten nur gesunde und kräftige Män­ner angestellt wur­den, im Krankheits­fall wur­den die Alm­leute durch den Pfar­rer von Antholz mit den Sakra­menten ver­sorgt. Fest­gelegt waren weit­ers die Regeln für die Schneeflucht, das heisst, dass die Tiere im Fall eines Win­tere­in­bruch­es an fest­gelegten Orten im Tal gewei­det wer­den kon­nten. Der Zins für die Alm­nutzung war jew­eils zu Wei­h­nacht­en in Geld und Nat­u­ralien zu entricht­en; die Ord­nung enthält eine genaue Auf­stel­lung der zu leis­ten­den Beiträge durch die einzel­nen Bauern, deren Vieh auf die Alm aufgetrieben wurde.

Alm- oder Alpenord­nun­gen sind Ver­schriftlichun­gen alter Gewohn­heit­srechte und Über­liefer­un­gen, die Ein­blicke in das Funk­tion­ieren bäuer­lichen Lebens und Wirtschaftens erlauben. Sie sind aus der Zeit zwis­chen dem 14. und 19. Jahrhun­dert über­liefert. In der Regel han­delt es sich um Urkun­den auf Perga­ment, es gab aber immer auch Zweitaus­fer­ti­gun­gen auf Papi­er als Gebrauch­sex­em­plare. Anlass für die Nieder­schrift waren häu­fig Stre­it­igkeit­en oder – wie ver­mut­lich im vor­liegen­den Fall – Änderun­gen der Eigen­tumsver­hält­nisse. Bemerkenswert an der vor­liegen­den Almord­nung ist, dass darauf hingewiesen wird, dass die Alm aus zwei Schwaighöfen her­vorge­gan­gen sei, also aus Gütern, die über­wiegend Viehzucht trieben und zu Käsezin­sen verpflichtet waren. Sie gibt somit Zeug­nis über den Wech­sel von der inten­siv­en zur exten­siv­en Bewirtschaf­tung der Hochwei­den. Darüber hin­aus ver­mit­telt die Schrift einen Ein­druck über den Umgang mit älteren Rechts­doku­menten, die zur Sicherung von Besitzrecht­en auf­be­wahrt wur­den: […] hat die alten Brief nit ver­standen.

Neben den rechtlichen Aspek­ten sind der­ar­tige Doku­mente wertvolle Quellen für die Flur­na­men­forschung, enthal­ten sie doch zahlre­iche Toponyme, d.h. gängige und zum Teil vergessene Beze­ich­nun­gen für Berge und Fels­for­ma­tio­nen, Wiesen, Wälder, Bäche, Brück­en und Wege und andere Land­schafts­marken. Im konkreten Fall sind Flur­na­men in großer Zahl in der Beschrei­bung der Gren­zen der Staller Alm zu find­en.

Bei der Sprache han­delt es sich um eine früh­neuhochdeutsche Kan­zleis­prache, die von unser­er heuti­gen Schrift­sprache erhe­blich abwe­icht. Der Text wirkt durch die Ver­wen­dung eines damals gängi­gen Wortschatzes sowie auf­grund des Fehlens ein­er normieren­den Rechtschrei­bung und Zeichenset­zung in zahlre­ichen Pas­sagen schw­er ver­ständlich, erschließt sich aber zunehmend durch mehrma­liges Lesen. Der Ver­gle­ich des Lautbe­standes mit der heute noch gesproch­enen Mundart kann das Ver­ste­hen erle­ichtern.

Tran­skrip­tion (pdf)


Abbil­dun­gen, Text und Tran­skrip­tion: © Stadtarchiv Bru­neck.

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