Der Prauneggner Umbgang am Charfreytag: Karfreitagsprozession in Bruneck

Die Fleis­chhauer, Chris­tus als Kreuzträger, die Schmiede mit Häm­mern, die Baderin als Veroni­ka mit Schröpfköpfen (Sym­bol für das Schweiß­tuch), einige lär­mende Buben.

Im Kloster Muri-Gries in Bozen ist die soge­nan­nte Bru­neck­er Rolle ver­wahrt, die eine Kar­fre­itagsprozes­sion in Bru­neck im Zeital­ter des Barock (in der zweit­en Hälfte des 17. Jahrhun­derts) zeigt. Die far­ben­prächti­gen Darstel­lun­gen sind auf Papi­er gemalt, die Rolle ist ins­ge­samt mehr als fünf Meter lang und 20 Zen­time­ter bre­it.

Am Platz vor der Bru­neck­er Rainkirche wur­den Pas­sion­sspiele aufge­führt, die 1532 erst­mals erwäh­nt sind. Später (1611 oder 1617) kam eine Kar­fre­itagsprozes­sion hinzu, bei der die Lei­dens­geschichte Jesu in bildlichen Szenen dargestellt wurde. Diese Prozes­sion ver­drängte später die eigentliche Pas­sions­darstel­lung auf ein­er Bühne. An einem Haus im Bru­neck­er Ober­ra­gen (Nr. 12) ist über dem Ein­gang ein kleines Medail­lon mit der Malerei des mit Dor­nen gekrön­ten Chris­tus zu sehen. Es wäre denkbar, dass diese Darstel­lung eine Sta­tion der Kar­fre­itagsprozes­sion markierte.

Zwei gemeine Red­ner mit Brillen (“die Vor­sichtigkeit”, Vorauss­chau).

Auf der „Bru­neck­er Rolle“ sind offen­bar Ein­wohner­in­nen und Ein­wohn­er der Stadt dargestellt, die durch Kostüme und Attribute die bib­lis­che Geschichte insze­nierten. Unter ihnen find­en sich Per­so­n­en, die öffentliche Ämter bek­lei­de­ten (der Stadtrichter, der Bürg­er­meis­ter, der Schreiber des Zöll­ners, der städtis­che Auss­chuss, der Henker, der Toten­gräber etc.), einzelne Beruf­s­grup­pen ver­trat­en (die Müller und Bäck­er, drei Schnei­derge­sellen, die Fleis­chhauer, die Schmiede etc.), oder aber anson­sten bekan­nt waren und/oder die Gele­gen­heit beka­men, am Spek­takel mitzuwirken (die Frau des Bet­tel­richters, zwei Söhne der Kranken­wär­terin, die Baderin, zwei gemeine Red­ner etc.). Let­ztere Option eröffnete auch für Frauen die Möglichkeit zur Teil­nahme. Ob die dargestell­ten Per­so­n­en (etwa der dama­lige Bürg­er­meis­ter oder der Stadtrichter) porträthaft abge­bildet sind, lässt sich nicht mehr klären, es ist aber dur­chaus denkbar.

Die bei der Pas­sion und bei der Prozes­sion rez­i­tierten Texte sind im Fall von Bru­neck nicht erhal­ten. Johann Nepo­muk Tin­khauser aber schrieb 1834 in seinen „Geschichtlichen Nachricht­en“, dass in sein­er Jugend noch die ältesten Per­so­n­en in Bru­neck Teile der Texte auswendig kan­nten, die bei der Prozes­sion gesprochen wor­den waren und die in der Zeit des Josephin­is­mus (um 1780) durch das Rosenkranzge­bet erset­zt wor­den waren.

Die Bru­neck­er Rolle ist die älteste erhal­tene Darstel­lung ein­er Kar­fre­itagsprozes­sion in der weit­eren Umge­bung. Sie zeigt 29 num­merierte Szenen, die jew­eils in ein­er Leg­ende beschrieben sind.


Quelle:

Wal­ter Lan­di, Bildliche Darstel­lung der Kar­fre­itagsprozes­sion in Bru­neck (Bru­neck­er Rolle), Mitte des 17. Jahrhun­derts, in: S. Spa­da Pintarel­li (Hg.), Bozen 1700–1800. Die Stadt und ihre Kun­st. Ausstel­lungskat­a­log (Bozen, Stadt­ga­lerie und Merkan­til­ge­bäude, 16.10.2004 – 16.01.2005), S. 84–85.

Weit­er­führende Lit­er­atur: 

  • Leo Ander­gassen, „Nar­rag­o­nien“ in Tirol. Nar­ren, Schalk und Zoten, in: Der Schlern, 97. Jg. (2023), Heft 5/6, 5–47, S. 32–34.
  • Anton Dör­rer, Die geistlichen Bürg­er­spiele in Bru­neck (Puster­tal), in: Archiv für das Studi­um der neueren Sprachen und Lit­er­a­turen, Bd. 150 (1930), Heft 1/2, S. 1–12.
  • Eva Gad­ner, „Der Prauneg­gn­er Umb­gang am Char­frey­tag“ (Bru­neck­er Rolle), in: Bru­nop­o­lis. Bru­neck in Bildern 1256–2006/Brunico per immag­i­ni 1256/2006. 28. Juni – 15. Okto­ber 2006, Stadt­mu­se­um Bru­neck. 500 Jahre Kün­stler in Bru­neck. 8. Juli – 15. Okto­ber 2006, Schloss Bru­neck, Bru­neck 2006, S. 266.

Alle Bilder: © Benedik­tin­erk­loster Muri-Gries, Bozen.

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