Mühlgasse Nr. 4: Hannesmühle

Erklärung:

Die Hannesmühle in der Mühlgasse ist eines der ältesten Häuser der Stadt Bruneck. Sie wurde später um einen Gerberstampf und um eine Säge erweitert, im Mittelalter war sie ein görzisches Lehen. Das Gebäude muss zu Beginn des 16. Jahrhunderts in etwa die heutige Form erhalten haben. Zwei Fresken aus der Zeit um 1520 schmücken die Nordwand, das linke stellt eine Madonna mit Kind unter einem spätgotischen Kielbogen dar.

Beim rechten und größeren Fresko handelt es sich um eine Darstellungsform, die in der Kunstgeschichte als „Lebendes Kreuz“ bezeichnet wird: Zu sehen sind Ecclesia und Synagoge in der Gestalt zweier Frauen, also die Sinnbilder für das Christentum und das Judentum, wobei das Christentum über das geschlagene Judentum dominiert; Synagoge hält eine zerbrochene Fahne in der Hand, eine Krone scheint ihr vom Kopf zu fallen. Über den Augen trägt sie eine Binde, als Illustration für die Blindheit des Judentums gegenüber Jesus von Nazareth als dem „Messias“.

Die Stelle für das Fresko war gut gewählt: Wer über die alte Rienzbrücke, den „Totensteig“, in die Stadt kam, wurde gleich mit Katechismus, Predigt und Christenlehre konfrontiert. Auch die Nähe zur Unser-Lieben-Frauen-Kirche und dem Widum mag hier eine Rolle gespielt haben.

Literatur:

  • Nina Schröder, Bruneck kompakt. Die Stadt auf einen Blick. Sehenswertes, Gastlichkeit, Kultur, Wien/Bozen 2003.
  • Hubert Stemberger, Bruneck und Umgebung (Südtiroler Gebietsführer 7), Bozen 1988.
  • Paul Tschurtschenthaler, Brunecker Heimatbuch, Bozen 1928.

Speziell zur Ikonographie:

  • Paul Thoby, Le crucifix des origines au Concile de Trente: étude iconographique. [Hauptband], Nantes 1959, 223.