Teile des ursprünglichen historischen Archivs der Stadtgemeinde Bruneck wurden im August 1940 nach Bozen gebracht. Der städtische Archivbestand wurde dabei willkürlich zerrissen, wobei es wohl die Absicht gab, einen „neueren“ Teil (die Akten nach der Säkularisation von 1803 oder jene nach 1807 oder zumindest die Akten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts) vor Ort zu belassen, den „historischen“ Teil hingegen den Beständen des Staatsarchivs einzuverleiben.[1] Tatsächlich blieb eine große Anzahl älterer Dokumente in Bruneck, während buchhalterische und steuerliche Unterlagen, deren Laufzeit bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts reicht, nach Bozen gelangten.
Die in Bruneck verbliebenen Archivalien wechselten mehrmals ihren Standort und wurden im jeweiligen Sitz der Gemeindeverwaltung verwahrt. Im Mai 2018 wurde der „ältere“ bzw. „historische“ Teilbestand des Stadtarchivs nach Bruneck gebracht und dort mit den „jüngeren“ Archivbeständen zusammengeführt, wodurch sich das historische Archiv heute an einem Ort befindet.
Die Durchsicht beider Teilbestände zeigte wie erwartet, dass es erhebliche Überschneidungen und Ausfransungen beider Teilbestände gibt. So enthalten etwa die ersten ca. 20 Positionen (Schachteln) der Serie V (Magistratsakten) zahlreiche ältere Dokumente, die sich auf Stiftungen und Gerichtssachen beziehen. Zwar wurden diese Konvolute wohl im Zuge einer Abrechnung über die städtischen Fonds zusammengestellt. Da diese Vorgänge aber nicht oder nur sehr aufwändig zu rekonstruieren wären, war es sinnvoll, die Teilbestände getrennt voneinander zu inventarisieren, die Aufteilung in Serien beizubehalten und auf den Versuch, ursprüngliche Provenienzen herzustellen, zu verzichten.
Der in Bruneck verbliebene Teil des historischen Archivs wurde 2001 im Auftrag des Südtiroler Landesarchivs im Jahr 2001 von Verena Messner gesichtet, geordnet und verpackt. Auf diese Ordnung geht die Strukturierung des Bestandes in die Serien I bis IX zurück:
Serie I: Steuerregister und Urbare
Serie II: Sitzungsprotokolle von Magistrat und Gemeindeausschuss
Serie III: Repertorien und Gestionsprotokolle
Serie IV (A–F): Rechnungsbücher der Fonds, Fremdenmeldebücher
Serie V: Magistratsakten
Etwa die ersten 30 Schachteln der umfangreichen Serie enthalten Material, das noch nicht nach der Registratur geordnet ist, sondern aus unterschiedlichen Provenienzen, vor allem der städtischen Fonds stammt. Die Akten der Serie ab ca. 1850 für die auch gebundene Repertorien vorliegen (→ Serie III, ab 1848) sind für jedes Jahr nach den Rubriken der Registratur aufgeschlüsselt (I Steuer, II Polizei, III Kommunales, IV Miszellen, V Forst, VI Militär, VII Spital, VIII Bau). Für nicht zugeordnete Blätter wurde im Zuge der der Verzeichnung eine Reihe „Varia“ eingefügt. Die Rubriken ändern sich im Laufe der Zeit, namentlich ab 1919 zeigt sich die Anwendung eines neuen Aktenplanes mit einer damit einhergehenden Unsicherheit der Zuordnung von Akten zu bestimmten Kategorien in der Übergangsphase.
Serie VI: Militaria
Diese Serie enthält vor allem Akten des k.k. Pustertaler Landesschützen-Bataillons Nr. 6, die mit der Stadt Bruneck nur peripher zu tun haben. Sie beziehen sich auf die Aushebungen und den Aktivstand, die Abrechnung der Versorgung, die jährlichen Waffenübungen. Korrespondenzen liefen zwischen dem Landesschützen-Bataillons-Kommando, dem k.k. 6. Landesschützen-Bataillon-Instructions-Cadre, dem k.k. Landesverteidigungs-Kommando in Tirol und Vorarlberg, der k.k. Landesverteidigungs-Oberbehörde für Tirol und Vorarlberg, dem k.k. Ministerium für Landesverteidigung, verschiedenen Gemeinden und anderen Stellen. Die Provenienz dürfte evtl. in einer der Brunecker Kasernen zu sehen sein. In den Magistratsakten (→ Serie V) finden sich jährlich abgelegte Militärakten, welche sich zum Teil ebenfalls auf die Pustertaler Landesschützen beziehen und als Ergänzung zur vorliegenden Serie VI konsultiert werden können.
Serie VII: Fonds und Stiftungen
VII A: Armenfond: Akten
Die Aktenserie des Armenfonds enthält Akten, vornehmlich Listen, Rechnungen und Quittungen, welche das Geschäftsgebaren des Fondes beschreiben. Die Rechnungen und Quittungen weisen stets die Handschriften, eigenhändigen Unterschriften bzw. Handzeichen der Aussteller*innen aus und sind somit eine wertvolle sozialgeschichtliche Quelle über die Einwohnerschaft der Stadt.
VII B: Schulfond: Akten
VII C: Spitalfond: Akten
Die Serie umfasst die jährlichen Abrechnungen der Verwalter des Spitalfonds in Heftform. Beiliegend zu den jährlichen Spitalamtsrechnungen finden sich jeweils Belege, die zumeist eigenhändig von Handwerkern und anderen Dienstleister*innen verfasst und unterzeichnet sind. Oft beziehen sich diese auf Dienste in Kirche und Spital oder auf die Lieferung von Holz, Lebensmitteln, Kleidung oder Medikamenten. Regelmäßige Posten sind auch Dienste im Umfeld religiöser Zeremonien, vornehmlich Begräbnissen. Im Bestand finden sich Rechnungen von Künstlern ebenso wie jene der Kaminkehrer und Handwerker, die an Erhaltung und Funktionieren der Baulichkeiten mitarbeiteten. Ferner legten auch Hirten, Pächter, Waldhüter und Bauern Rechnung über die von ihnen beweideten oder verwalteten Spitalgüter, womit die Quellen nicht zuletzt auch für die Flurnamenforschung und Agrargeschichte von Interesse sind.
Die Akten aus der Zeit zwischen 1906 und 1919 enthalten keine Belege, sondern lediglich die sogenannten Verpflegsakte, d.h. Protokolle über Aufnahme von Personen in das Stadtspital und die für die wirtschaftliche Abwicklung der einzelnen Fälle relevanten Begleitakten, zum Teil mit Kopfzetteln und detaillierteren Angaben zum Krankheits- bzw. Pflegeverlauf.
VII E: Gerichtsfond: Akten
Die Serie enthält die jährlichen Abrechnungen des Gerichtsfondes und die ent-sprechenden Präliminaria. Enthalten sind zudem die Belege, d.h. Rechnungen der Wasenmeister, Feuervisitatoren, Wegmacher, Boten und Hebammen sowie des Tierarztes. Die Dokumente sind zum Teil eigenhändig geschrieben, nicht eigenhändig geschriebene Rechnungen und Quittungen weisen zumindest größtenteils eigenhändige Unterschriften auf.
Serie VIII: Varia
Serie IX: Karten und Pläne
[1] Christine Roilo, Das Brunecker Stadtarchiv und seine Bestände, in: Stefan Lechner (Hg.), Der lange Weg in die Moderne. Geschichte der Stadt Bruneck 1800–2006, Innsbruck 2006, 395–420, 396.