gewisper – gerüchte – geschrey: Wirtshaus und Bauernkrieg 1525
vom 10. Mai bis 9. November 2025
Das laufende Jahr ist geprägt von der Erinnerung an die Bauernkriege vor genau 500 Jahren. Das Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde in Dietenheim konzipierte im Rahmen des aus diesem Anlass ausgerufenen Euregio-Museumsjahres mit dem Titel „Weiter sehen – guardare oltre – ciaré plü inant“ in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Bruneck eine Ausstellung, die den Bauernaufstand in Tirol zum Thema macht und die unruhige, aber faszinierende Zeit um 1525 in den Fokus rückt.
Das frühe 16. Jahrhundert war eine Epoche mehrfacher Umbrüche. Der Buchdruck mit beweglichen Lettern und die damit einhergehende Medienrevolution, die Reformation, die Entdeckung der Neuen Welt und die Renaissance in der Kunst prägten den Übergang vom späten Mittelalter in die frühe Neuzeit. Spannungen, die sich aus diesem Wandel ergaben, der etwa auch mit einem Bedeutungsverlust des Adels, dem Aufstieg des Bürgertums, einem Anstieg der Bevölkerung und einer Verknappung von Ressourcen einher ging, manifestierten sich in den Bauernkriegen in Deutschland und der Schweiz sowie im Bauernaufstand in Tirol unter der Führung von Michael Gaismair.
Die Ereignisse des Jahres 1525 sind heute gut aufgearbeitet. Es ist auch davon auszugehen, dass in Bibliotheken, Archiven und Museen keine wichtigen Schriften mehr gefunden werden, die wesentlich neues Licht auf diese Ereignisse werfen. Prinzipiell stellt die Geschichtsforschung heute neue Fragen an schon bekannte Quellen, etwa nach der Rolle der Frauen im Bauernkrieg, nach der wirtschaftlichen Situation der Bevölkerung oder aber nach der Bedeutung der Reformation für die schwelende Unruhe und Unzufriedenheit, die schlussendlich zum Ausbruch des Aufstandes führten. Im Fürstbistum Brixen war die Befreiung des zum Tode verurteilten „Absagers“ Peter Passler ausschlaggebend für den Beginn des Aufstandes im Mai 1525. Passler konnte im letzten Moment befreit werden und dieses Ereignis war der Beginn einer Serie von Übergriffen der mit einigen Stadtbürgern verbündeten Bauern. Unter der Führung von Michael Gaismair plünderten sie mehrere Häuser von Klerikern in Brixen und das Kloster Neustift, setzten sich in der bischöflichen Hofburg fest und verhandelten mit dem Tiroler Landesfürsten Erzherzog Ferdinand über ihre Forderungen.
In der Ausstellung „Wirtshaus und Bauernkrieg 1525“ in Dietenheim stehen weder die politischen und kriegerischen Ereignisse noch die Akteure des Aufstandes im Mittelpunkt, sondern wir betrachten einen Ort, an dem sich die aufgeheizte Stimmung besonders verdichtete: Die Stube eines ländlichen Gasthauses in der Zeit um 1500 wird als Bühne der Welt des frühen 16. Jahrhunderts präsentiert, als Guckkasten, der von vielen Akteurinnen und Akteuren bespielt wird, die die damalige Gesellschaft repräsentieren.
Ein zentraler Aspekt ist dabei die Bedeutung der Wirtshäuser als wichtige Orte der Kommunikation. Hier kam man zu verschiedenen Anlässen zusammen, tauschte sich aus, hier zirkulierten aktuelle Informationen. Im Wirtshaus trafen Einheimische auf Durchreisende wie Soldaten, Wallfahrende, wandernde Händler und Prediger, aber auch Vertreterinnen und Vertreter aller Stände kamen hier zusammen: Adelige, Geistliche, Bürgerliche und die Landbevölkerung gaben sich im ländlichen oder städtischen Gasthaus sprichwörtlich die Klinke in die Hand. Mittendrin in diesem Trubel standen der Wirt und die Wirtin als Arbeitsehepaar, das den Überblick behielt, alles dirigierte und über alle Anwesenden, politische Entwicklungen und die vorherrschende Stimmungslage bestens informiert war.
Das Wirtshaus war neben einer Versorgungsstation mit Speisen, Getränken und Übernachtungsmöglichkeiten auch ein Umschlagplatz für Geld, Waren, Informationen und Medien. Es zeichnete sich durch ein permanentes „Hintergrundrauschen“ von Aktualität und Klatsch, Gerücht und Wahrheit aus, das in Krisenzeiten wie in den 1520er-Jahren und namentlich im Bauernaufstand 1525 zu einem lauten Krachen anschwoll. Auf die Verdichtung von Ereignissen, Wissen und Gerüchten folgte die Eskalation, eben der Auszug von Bauern und Bürgern zur Befreiung des Peter Passler und zur Plünderung in Brixen und Neustift. Die Entwicklung vom „Wispern“ über das Verbreiten von Gerüchten hin zum Ausbruch des Aufstandes kommt im Titel der Ausstellung plakativ zum Ausdruck: „gewisper – gerüchte – geschreÿ“.
Die Ausstellung im Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde ist seit dem 9. Mai zu sehen. Am selben Tag wurde auch der Katalog vorgestellt, der das Thema in sieben Aufsätzen aufgreift. Untersucht werden darin die Ständegesellschaft der damaligen Zeit, die krisenbehaftete Ausgangslage in Tirol, die den Unmut in den ärmeren Schichten der Gesellschaft weckte, sowie die lokalen Ereignisse, welche den Aufstand auslösten. Das Buch zeigt die Position der Frauen in der Gesellschaft und die Rolle von Flugschriften und Flugblättern auf, taucht in die Atmosphäre der Wirtshäuser ein und beschreibt Wirte und Wirtinnen und all jene, welche ländliche Gaststuben besuchten und in ihnen verkehrten.