Im ehemaligen Amtshaus des Klosters Neustift in der Brunecker Stadtgasse, das auf eine abwechslungsreiche Geschichte zurückblickt, ist heute die Tourismus-Management-Fakultät der Freien Universität Bozen untergebracht. Johann Nepomuk Tinkhauser gibt an, dass an dieser Stelle bereits 1546 drei Gebäude im Besitz des Klosters waren, nämlich das „Amtshaus“ (Nr. 62), ein weiteres Haus, das früher als „Hohenzorn“ bezeichnet worden sei (Nr. 61), sowie ein Stadel (Nr. 60 ½).[1] Über dem Tor des Neustifter Amtshauses ist noch heute ein Wappenstein des Klosters mit der Inschrift „Vivat faelix Nova Cella“ und der Datierung 1547 angebracht.
Aus einer Urkunde aus dem Jahr 1550 geht hervor, dass Balthasar Scheckh von Nidermanthani, Brixnerischer Amtmann, und Jörg Söll, Bürger zu Bruneck, als Gerhaben der Veronica, Tochter des Brunecker Bürgers Sigmund Prenner, dem Kloster die große Behausung zwischen dem Ballhaus und dem Haus des Christoph Winckhlhofer, die vormals aus zwei Häusern bestand, verkauften. Übergeben wurden neben dem Gebäude auch der zugehörige Brunnen darin und die Mistlege (Mistlackhen), ein hinten angrenzendes klain heüsl samt einem Stall, ein Stadel und ein Garten außerhalb der Stadt, die Zinsen und Steuern sowie die Verpflichtung zur Wache und zum Versperren der Stadttore; darüber hinaus „alles das so zue und in solliche grosse und klaine(n) behausung gehört auch was mit widen panndt und nagln behafft ist sambt giesfassern und giespeckhen.“[2] Im Gegenzug erhielt Veronica eine Behausung zwischen den Häusern des Hanns Hofsteter und Asam des Sellen zwischen der Stadtgasse und der Hintergasse, die das Kloster 1446 von Hanns Kürsner/Chürsner von Bruneck, Bürger zu Brixen, gekauft hatte.[3]
Der dem Kloster Neustift verkaufte Gebäudekomplex bestand, wie auch aus der Urkunde hervorgeht, um 1550 aus drei oder vier kleineren Bauten: zwei nebeneinander liegenden Häusern gegen die Stadtgasse hin, einem kleinen nach Norden anstoßenden kleinen Haus (heüsl), sowie einem Stall in der Hintergasse. Nach 1550 kam es zu größeren Umbauarbeiten, bei denen die Gebäude architektonisch vereinheitlicht und ‚Häusl‘ und Stall einbezogen wurden.[4]
In der Urkunde über den Verkauf im Jahr 1550 ist eine genaue Beschreibung des Interieurs der Gebäude enthalten. Diese Inventur gibt Auskunft über die Raumstruktur, darüber hinaus aber auch über die Einrichtung eines spätmittelalterlichen Bürgerhauses an der Brunecker Stadtgasse. So heißt es im Text unter anderem:
„Item mer haben wir gleichermassen seiner G(naden) hiemit keüfflichen zuegestelt: In der grossen behausung etliche varennde hab, als erstlichen acht tisch sambt etlichen stüell und penckhen, fünff underpeth, fünff pölster, zehen khüsß [= Kissen], zway deckhpeth, acht deckhen, zehen par leülach.
Mer inn der chamer unnden in der ersten stuben ain grüene petstat mit ainem himel sambt ainem rädlpeth, in der camer bey der anndern stuben gegenuber aber ain grüene petstat sambt ainem rädlpeth.
Mer oben auf bey der stuben in der camer vorfür aber ain grüene petstat sambt ainem rädlpeth, mer hindter derselben stuben drey weisse petstaten, bey der hindtern stuben in der chamer mer ain grüene petstat mit ainem himel, im grossen versperten saal zway gwanndtruchen.
Item in dem hindtern heüsl in der chamer aus der stuben ain grüene pethstat mit ainem himell und fürhanng sambt ainem casten und ainer gwanttruchen, mer im heüsl in der läben ain casten, obenauf in zwayen hültzen [= hölzernen] chamern zway weisse petstaten, mer unnden im hauß in der läben beim stall ain fuettertruchen, im chamerlen beim stall ain petstath, im ersten gwelb aus dem hauß hinein fünff khorn und mell truchen, ain grosser gwanndt cassten, inn innern gwelb ain neue gewanndtruchen und ain cassten.“
Zum Hausbesitz gehörten schließlich auch die reservierten Plätze in der Kirche:
„Dartzue auch in der kirchen zu Unnser Lieben Frauen baide mann und frauenstüel, so zu diser behausung gehorig sein.“
Die Aufzählung der ‚fahrenden Habe‘ bietet einige interessante Details:
Die Aufenthaltsräume waren in ‚Stuben‘ und ‚Kammern‘ aufgeteilt. Im kleinen Häusl etwa gab es eine Kammer neben einer Stube, eine ‚Labe‘ (Hausflur, Hausgang), im oberen Stock zwei ‚hölzerne‘, d.h. vermutlich getäfelte Kammern. An die ‚Labe‘ grenzten der Stall und eine weitere Kammer mit einer Bettstatt an.
Gab es im ‚kleinen Häusl‘ nur eine Stube, waren es im größeren Gebäude derer vier. Dies weist auf eine gewisse Bedeutung des Hauses und auf Wohlstand der besitzenden Familie hin. Besonders interessant ist auch der Hinweis auf einen grossen versperten saal, in dem zwei gwanndtruchen (Kleidertruhen) standen. Im Zuge der Restaurierung des ehemaligen Neustifter Amtshauses kamen im ersten Obergeschoß einfache Quadermalerei auf geglättetem Oberflächenputz sowie drei Wappen zum Vorschein. Da diese von der Stadtgasse aus gesehen sehr klein und unscheinbar gewirkt hätten, geht Markus Pescoller eher von der Wandausstattung eines Innenraumes, eben eines Saales aus. Der Befund von Wachsspuren an der Wand, die auf eine Beleuchtung mit Kerzen hindeuten, stützt diese Theorie.[5]
Bemerkenswert ist auch die Zahl der Sitzmöbel im größeren Haus: Aufgezählt werden acht Tische sowie etliche Stühle und Bänke. Fünf Unterbetten, fünf Pölster und zehn Kissen lassen auf die Größe der Bewohnerschaft schließen. An Schlafmöbeln waren zwei Himmelbetten, fünf weitere Betten und drei ‚Radlbetten‘ vorfindig, was auf eine größere Zahl an Hausbewohnerinnen und ‑bewohnern hindeutet. Die Zahl von zehn Betten passt wiederum zur Angabe von zehn Paaren Leintüchern (zehen par leülach). Im hinteren Haus hingegen gab es ein Himmelbett mit Vorhang und drei weitere Bettstätten.
Bei den ‚Radlbetten‘ handelte es sich um mit Rädern versehene Liegemöbel, die unter die höheren ‚normalen‘ Betten gerollt werden konnten. Sie waren bevorzugt für die Kinder vorgesehen, allerdings finden sich auch in einem Inventar der Brixener Hofburg aus dem 16. Jahrhundert mehrere Stücke verzeichnet.[6]
Die als Besitzer des Hauses an der Stadtgasse genannten Prenner begegnen in den Brunecker Urkunden kaum. Sigmund Prenner war ein Sohn des gleichnamigen Sigmund und er ist zwischen 1535 und 1549 in Bruneck dokumentiert. In Bruneck besaß er das Bürgerrecht und war mit Helena, Tochter des Andreas Söll verheiratet; seine Tochter Veronika aber stammte aus seiner ersten Ehe mit Helena Jöchl.[7]
Für Sigmund Prenner sen. vermutet Erika Kustatscher, dass der Bürgerstatus in seinem Selbstverständnis keine dominante Rolle spielte, ebenso wenig im Bild, das die Zeitgenossen von ihm hatten. Vielmehr sei in den qualifizierenden Beiwörtern „vest“ und „furnehm“ eher eine Nähe zum Adel zu erkennen, ein Befund, der durchaus zur Ausstattung des späteren Neustifter Amtshauses passen würde, das vermutlich einen eher gehobenen Standard bürgerlicher Wohnkultur in Bruneck repräsentierte.
Anmerkungen
[1] Hubert Stemberger (Bearb.), J.N. Tinkhauser’s Brunecker Chronik 1834. “Geschichtliche Nachrichten von der k.k. Kreisstadt Bruneck und derselben Umgebung”. Mit 147 Faksimile-Farbdrucken nach den Vorlagen des Verfassers, Bozen 1981, S. 230.
[2] Zit. nach: Abschrift im Stadtarchiv Bruneck, Altbestand, Serie XLVI Nr. 1: Steuersachen 1530–1838, o.P. Das Original der Urkunde wird im Stiftsarchiv Neustift verwahrt, vgl. Theobald Herbert Innerhofer, Das Neustifter Amtshaus in Bruneck, in: Der Schlern 81. Jg. (2007), Heft 11, S. 40–49, Anm. 5. Mit widen sind vermutlich Weidenruten gemeint, die wie auch Birkenruten zur Herstellung von Bändern geeignet sind. Vgl. etwa: Georg Henisch, Teütsche Sprach und Weißheit. Thesaurus linguae et sapientiae Germanicae, erster Teil, Augsburg 1616, Sp. 277. Gießfässer und Gießbecken waren aus Zinn gegossene Vorrichtungen zum Händewaschen in Innenräumen, die an der Wand oder in einem Möbel installiert waren.
[3] Innerhofer, Amtshaus, S. 41–42. Die Urkunde wird im Stiftsarchiv Neustift verwahrt, vgl. ebd. Anm. 4.
[4] Markus Pescoller, Notizen zur Bau- und Restaurierungsgeschichte. Das ehemalige Neustifter Amtsgebäude in Bruneck, in: Der Schlern 81. Jg. (2007), Heft 11, S. 32–39, hier S. 33–34.
[5] Pescoller, Notizen, S. 33.
[6] Vgl. Patrizia Mair, Himmelbett und Robe. Ein Blick in die bischöflichen Hofburginventare der frühen Neuzeit, in: Der Schlern 81. Jg. (2007), Heft 5/6, S. 84–95, hier S. 90–91.
[7] Vgl. das Biogramm beiliegend zu: Erika Kustatscher, Die Städte des Hochstifts Brixen im Spätmittelalter. Verfassungs- und Sozialgeschichte von Brixen, Bruneck und Klausen im Spiegel der Personengeschichte (1200–1550) (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 25), Innsbruck/Wien/Bozen 2007, online einsehbar unter: https://www.provinz.bz.it/kunst-kultur/landesarchiv/das-landesarchiv/-veroeffentlichungen-des-suedtiroler-landesarchivs-.asp?publ_page=4