Das Inventar eines Bürgerhauses im 16. Jahrhundert von Andreas Oberhofer

Ehe­ma­liges Neustifter Amt­shaus: Qua­der­malerei und die Darstel­lung dreier Wap­pen im ersten Obergeschoß. Foto: Stadtarchiv Bru­neck.

Im ehe­ma­li­gen Amt­shaus des Klosters Neustift in der Bru­neck­er Stadt­gasse, das auf eine abwech­slungsre­iche Geschichte zurück­blickt, ist heute die Touris­mus-Man­age­ment-Fakultät der Freien Uni­ver­sität Bozen unterge­bracht. Johann Nepo­muk Tin­khauser gibt an, dass an dieser Stelle bere­its 1546 drei Gebäude im Besitz des Klosters waren, näm­lich das „Amt­shaus“ (Nr. 62), ein weit­eres Haus, das früher als „Hohen­zorn“ beze­ich­net wor­den sei (Nr. 61), sowie ein Stadel (Nr. 60 ½).[1] Über dem Tor des Neustifter Amt­shaus­es ist noch heute ein Wap­pen­stein des Klosters mit der Inschrift „Vivat faelix Nova Cel­la“ und der Datierung 1547 ange­bracht.

Aus ein­er Urkunde aus dem Jahr 1550 geht her­vor, dass Balthasar Scheckh von Nider­man­thani, Brixner­isch­er Amt­mann, und Jörg Söll, Bürg­er zu Bru­neck, als Ger­haben der Veron­i­ca, Tochter des Bru­neck­er Bürg­ers Sig­mund Pren­ner, dem Kloster die große Behausung zwis­chen dem Ball­haus und dem Haus des Christoph Winckhlhofer, die vor­mals aus zwei Häusern bestand, verkauften. Übergeben wur­den neben dem Gebäude auch der zuge­hörige Brun­nen darin und die Mistlege (Mist­lack­hen), ein hin­ten angren­zen­des klain heüsl samt einem Stall, ein Stadel und ein Garten außer­halb der Stadt, die Zin­sen und Steuern sowie die Verpflich­tung zur Wache und zum Versper­ren der Stadt­tore; darüber hin­aus „alles das so zue und in sol­liche grosse und klaine(n) behausung gehört auch was mit widen pan­ndt und nagln behafft ist sambt gies­fassern und giespeck­hen.“[2] Im Gegen­zug erhielt Veron­i­ca eine Behausung zwis­chen den Häusern des Hanns Hof­steter und Asam des Sell­en zwis­chen der Stadt­gasse und der Hin­ter­gasse, die das Kloster 1446 von Hanns Kürsner/Chürsner von Bru­neck, Bürg­er zu Brix­en, gekauft hat­te.[3]

Der dem Kloster Neustift verkaufte Gebäudekom­plex bestand, wie auch aus der Urkunde her­vorge­ht, um 1550 aus drei oder vier kleineren Baut­en: zwei nebeneinan­der liegen­den Häusern gegen die Stadt­gasse hin, einem kleinen nach Nor­den anstoßen­den kleinen Haus (heüsl), sowie einem Stall in der Hin­ter­gasse. Nach 1550 kam es zu größeren Umbauar­beit­en, bei denen die Gebäude architek­tonisch vere­in­heitlicht und ‚Häusl‘ und Stall ein­be­zo­gen wur­den.[4]

In der Urkunde über den Verkauf im Jahr 1550 ist eine genaue Beschrei­bung des Interieurs der Gebäude enthal­ten. Diese Inven­tur gibt Auskun­ft über die Raum­struk­tur, darüber hin­aus aber auch über die Ein­rich­tung eines spät­mit­te­lal­ter­lichen Bürg­er­haus­es an der Bru­neck­er Stadt­gasse. So heißt es im Text unter anderem:

„Item mer haben wir gle­icher­massen sein­er G(naden) hiemit keüf­flichen zuegestelt: In der grossen behausung etliche varen­nde hab, als erstlichen acht tisch sambt etlichen stüell und penck­hen, fünff under­peth, fünff pöl­ster, zehen khüsß [= Kissen], zway deckh­peth, acht deck­hen, zehen par leülach.

Mer inn der chamer unnden in der ersten stuben ain grüene pet­stat mit ainem himel sambt ainem rädlpeth, in der camer bey der anndern stuben gegenu­ber aber ain grüene pet­stat sambt ainem rädlpeth.

Mer oben auf bey der stuben in der camer vor­für aber ain grüene pet­stat sambt ainem rädlpeth, mer hindter der­sel­ben stuben drey weisse pet­stat­en, bey der hindtern stuben in der chamer mer ain grüene pet­stat mit ainem himel, im grossen versperten saal zway gwan­ndtruchen.

Item in dem hindtern heüsl in der chamer aus der stuben ain grüene peth­stat mit ainem himell und fürhan­ng sambt ainem cas­ten und ain­er gwant­truchen, mer im heüsl in der läben ain cas­ten, obe­nauf in zwayen hültzen [= hölz­er­nen] chamern zway weisse pet­stat­en, mer unnden im hauß in der läben beim stall ain fuet­tertruchen, im chamerlen beim stall ain pet­stath, im ersten gwelb aus dem hauß hinein fünff khorn und mell truchen, ain gross­er gwan­ndt cassten, inn innern gwelb ain neue gewan­ndtruchen und ain cassten.“

Zum Haus­be­sitz gehörten schließlich auch die reservierten Plätze in der Kirche:

„Dartzue auch in der kirchen zu Unnser Lieben Frauen baide mann und frauen­stüel, so zu dis­er behausung gehorig sein.“

Die Aufzäh­lung der ‚fahren­den Habe‘ bietet einige inter­es­sante Details:

Die Aufen­thalt­sräume waren in ‚Stuben‘ und ‚Kam­mern‘ aufgeteilt. Im kleinen Häusl etwa gab es eine Kam­mer neben ein­er Stube, eine ‚Labe‘ (Haus­flur, Haus­gang), im oberen Stock zwei ‚hölz­erne‘, d.h. ver­mut­lich getäfelte Kam­mern. An die ‚Labe‘ gren­zten der Stall und eine weit­ere Kam­mer mit ein­er Bettstatt an.

Das ehe­ma­lige Neustifter Amt­shaus (links) auf ein­er Ansicht­skarte des Ver­lages Sten­gel & Co. in Dres­den aus dem Jahr 1910 (Auss­chnitt). Stadtarchiv Bru­neck, Samm­lung Weis­stein­er, B 1828.

Gab es im ‚kleinen Häusl‘ nur eine Stube, waren es im größeren Gebäude der­er vier. Dies weist auf eine gewisse Bedeu­tung des Haus­es und auf Wohl­stand der besitzen­den Fam­i­lie hin. Beson­ders inter­es­sant ist auch der Hin­weis auf einen grossen versperten saal, in dem zwei gwan­ndtruchen (Klei­dertruhen) standen. Im Zuge der Restau­rierung des ehe­ma­li­gen Neustifter Amt­shaus­es kamen im ersten Obergeschoß ein­fache Qua­der­malerei auf geglät­tetem Ober­flächen­putz sowie drei Wap­pen zum Vorschein. Da diese von der Stadt­gasse aus gese­hen sehr klein und unschein­bar gewirkt hät­ten, geht Markus Pescoller eher von der Wan­dausstat­tung eines Innen­raumes, eben eines Saales aus. Der Befund von Wachsspuren an der Wand, die auf eine Beleuch­tung mit Kerzen hin­deuten, stützt diese The­o­rie.[5]

Bemerkenswert ist auch die Zahl der Sitzmö­bel im größeren Haus: Aufgezählt wer­den acht Tis­che sowie etliche Stüh­le und Bänke. Fünf Unter­bet­ten, fünf Pöl­ster und zehn Kissen lassen auf die Größe der Bewohn­er­schaft schließen. An Schlafmö­beln waren zwei Him­mel­bet­ten, fünf weit­ere Bet­ten und drei ‚Radl­bet­ten‘ vorfind­ig, was auf eine größere Zahl an Haus­be­wohner­in­nen und ‑bewohn­ern hin­deutet. Die Zahl von zehn Bet­ten passt wiederum zur Angabe von zehn Paaren Lein­tüch­ern (zehen par leülach). Im hin­teren Haus hinge­gen gab es ein Him­mel­bett mit Vorhang und drei weit­ere Bettstät­ten.

Bei den ‚Radl­bet­ten‘ han­delte es sich um mit Rädern verse­hene Liegemö­bel, die unter die höheren ‚nor­malen‘ Bet­ten gerollt wer­den kon­nten. Sie waren bevorzugt für die Kinder vorge­se­hen, allerd­ings find­en sich auch in einem Inven­tar der Brix­en­er Hof­burg aus dem 16. Jahrhun­dert mehrere Stücke verze­ich­net.[6]

Die als Besitzer des Haus­es an der Stadt­gasse genan­nten Pren­ner begeg­nen in den Bru­neck­er Urkun­den kaum. Sig­mund Pren­ner war ein Sohn des gle­ich­nami­gen Sig­mund und er ist zwis­chen 1535 und 1549 in Bru­neck doku­men­tiert. In Bru­neck besaß er das Bürg­er­recht und war mit Hele­na, Tochter des Andreas Söll ver­heiratet; seine Tochter Veroni­ka aber stammte aus sein­er ersten Ehe mit Hele­na Jöchl.[7]

Für Sig­mund Pren­ner sen. ver­mutet Eri­ka Kus­tatsch­er, dass der Bürg­er­sta­tus in seinem Selb­stver­ständ­nis keine dom­i­nante Rolle spielte, eben­so wenig im Bild, das die Zeitgenossen von ihm hat­ten. Vielmehr sei in den qual­i­fizieren­den Bei­wörtern „vest“ und „furnehm“ eher eine Nähe zum Adel zu erken­nen, ein Befund, der dur­chaus zur Ausstat­tung des späteren Neustifter Amt­shaus­es passen würde, das ver­mut­lich einen eher gehobe­nen Stan­dard bürg­er­lich­er Wohnkul­tur in Bru­neck repräsen­tierte.


Anmerkun­gen

[1] Hubert Stem­berg­er (Bearb.), J.N. Tinkhauser’s Bru­neck­er Chronik 1834. “Geschichtliche Nachricht­en von der k.k. Kreis­stadt Bru­neck und der­sel­ben Umge­bung”. Mit 147 Fak­sim­i­le-Farb­druck­en nach den Vor­la­gen des Ver­fassers, Bozen 1981, S. 230.

[2] Zit. nach: Abschrift im Stadtarchiv Bru­neck, Altbe­stand, Serie XLVI Nr. 1: Steuer­sachen 1530–1838, o.P. Das Orig­i­nal der Urkunde wird im Stift­sarchiv Neustift ver­wahrt, vgl. Theobald Her­bert Inner­hofer, Das Neustifter Amt­shaus in Bru­neck, in: Der Schlern 81. Jg. (2007), Heft 11, S. 40–49, Anm. 5. Mit widen sind ver­mut­lich Wei­den­ruten gemeint, die wie auch Birken­ruten zur Her­stel­lung von Bän­dern geeignet sind. Vgl. etwa: Georg Henisch, Teütsche Sprach und Weißheit. The­saurus lin­guae et sapi­en­ti­ae Ger­man­i­cae, erster Teil, Augs­burg 1616, Sp. 277. Gießfäss­er und Gießbeck­en waren aus Zinn gegossene Vor­rich­tun­gen zum Hän­de­waschen in Innen­räu­men, die an der Wand oder in einem Möbel instal­liert waren.

[3] Inner­hofer, Amt­shaus, S. 41–42. Die Urkunde wird im Stift­sarchiv Neustift ver­wahrt, vgl. ebd. Anm. 4.

[4] Markus Pescoller, Noti­zen zur Bau- und Restau­rierungs­geschichte. Das ehe­ma­lige Neustifter Amts­ge­bäude in Bru­neck, in: Der Schlern 81. Jg. (2007), Heft 11, S. 32–39, hier S. 33–34.

[5] Pescoller, Noti­zen, S. 33.

[6] Vgl. Patrizia Mair, Him­mel­bett und Robe. Ein Blick in die bis­chöflichen Hof­burgin­ventare der frühen Neuzeit, in: Der Schlern 81. Jg. (2007), Heft 5/6, S. 84–95, hier S. 90–91.

[7] Vgl. das Biogramm beiliegend zu: Eri­ka Kus­tatsch­er, Die Städte des Hochs­tifts Brix­en im Spät­mit­te­lal­ter. Ver­fas­sungs- und Sozialgeschichte von Brix­en, Bru­neck und Klausen im Spiegel der Per­so­n­engeschichte (1200–1550) (Veröf­fentlichun­gen des Südtirol­er Lan­desarchivs 25), Innsbruck/Wien/Bozen 2007, online ein­se­hbar unter: https://www.provinz.bz.it/kunst-kultur/landesarchiv/das-landesarchiv/-veroeffentlichungen-des-suedtiroler-landesarchivs-.asp?publ_page=4

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