Das Personal beim Sternwirt im Jahr 1839 von Andreas Oberhofer

Auflis­tung der Angestell­ten im Wirtshaus am gold­e­nen Stern (Haus Nr. 159), eigen­händi­ge Unter­schrift von Joseph Toldt. Stadtarchiv Bru­neck, Mag­is­trat­sak­ten.

Im Jahr 1839 teilte Joseph Toldt, Wirt am gold­e­nen Stern (Haus­num­mer 159) im Bru­neck­er Außer­ra­gen, dem Stadt­mag­is­trat den Stand seines Per­son­als mit. Die Stadt erstellte näm­lich jährlich Verze­ich­nisse, in denen alle Frem­den aufge­lis­tet wur­den, die sich in Bru­neck aufhiel­ten. Das Schreiben des Stern­wirts gibt einen Ein­blick in den Per­son­al­stand eines Gast­be­triebes im frühen 19. Jahrhun­dert.

Wirte stell­ten nicht nur Speisen und Getränke, zum Teil auch Unterkün­fte zur Ver­fü­gung, son­dern sie waren immer auch Land­wirte und Trans­port-Dien­stleis­ter, die für die eige­nen Gäste Fuhrw­erke unter­hiel­ten, selb­st Güter trans­portierten, die Pferde von Durchreisenden ver­sorgten oder aber für den Post­lauf zuständig waren. Die Quelle im Stadtarchiv bietet eine Momen­tauf­nahme über die Vielfalt von Dien­st­botin­nen und Dien­st­boten, die für den Betrieb notwendig waren und nen­nt ins­ge­samt neun lohn­ab­hängige Angestellte. Der Bauknecht Georg Meßn­er, der Füt­ter­er Jakob Neun­häuser­er, der Hirten­bub Matthias Tai­bon und die Feld­dirn Katha­ri­na Hochgru­ber waren eher der Land­wirtschaft zuge­ord­net, der Hausknecht Mar­tin Kofler, die Kell­ner­in Theres Hack­hofer, die Küchendirn Maria Liens­berg­er und die Haus­dirn Maria Mayr eher der häus­lichen Sphäre des Wirtshaus­es. Der Fuhrknecht Joseph Ramiller (Rad­müller?) wurde sowohl für die Haus- als auch für die Land­wirtschaft gebraucht, es ist aber anzunehmen, dass auch die anderen Genan­nten je nach Bedarf einge­set­zt wur­den.

Was die land­wirtschaftlichen Dienstbot:innen bet­rifft, gab es eine mehr oder weniger feste Hier­ar­chie: Den ersten Platz unter den Angestell­ten nahm der Bauknecht ein. An zweit­er Stelle stand der große Knecht (auch großer Feld­knecht oder Stadler). An drit­ter Stelle fol­gten weit­ere zwei Knechte, der Feld­knecht und der kleine Knecht (Füt­ter­er). Am unteren Ende der Ran­gord­nung standen der kleine Füt­ter­er sowie ein oder zwei Hüt­buben.[1] In der Auf­stel­lung von Joseph Toldt bildet sich auch ein­er der zwei üblichen Zeit­punk­te für den Dien­st­ge­ber­wech­sel ab, der entwed­er an Maria Licht­meß, dem 2. Feb­ru­ar, oder aber am Stephanstag erfol­gte. Die Angestell­ten beim gold­e­nen Stern waren großteils seit Licht­meß vor­ange­gan­gener Jahre oder des laufend­en Jahres im Dienst.

Ansicht­skarte von Josef Werth in Olang, 1909 gelaufen. Ansicht vom Bru­neck­er Graben in Rich­tung Osten, im Hin­ter­grund die volu­minöse “Sternkaserne”, das ehe­ma­lige Wirtshaus am gold­e­nen Stern. Stadtarchiv Bru­neck, Samm­lung Weis­stein­er, B 1835.

Die in der Auf­stel­lung genan­nten Per­so­n­en stammten alle aus der näheren Umge­bung von Bru­neck. Mar­tin Kofler war in der Stadt geboren, Georg Meßn­er war wie auch Katha­ri­na Hochgru­ber aus Reis­chach gekom­men. Joseph Ramiller war aus Sankt Sig­mund, Theres Hack­hofer aus Toblach. Maria Liens­berg­er stammte wohl vom Liens­berg­er­hof ober­halb des Kniepass­es zwis­chen Kiens und Son­nen­burg. Maria Mayr war aus Innichen gebür­tig. Jakob Neun­häuser­er und der Hirten­bub Math­ias Tai­bon stammten aus dem ladinis­chsprachi­gen Enneberg. Am 28. Feb­ru­ar 1823 wurde in der Pfarre Enneberg ein Matthias Tai­bon, Sohn des Peter und der Anna Ellekos­ta, getauft.[2] Falls es sich bei ihm um den Hüte­buben beim Stern­wirt han­delt, war dieser 1839 16 Jahre alt.

Die Quelle gibt auch Auskun­ft über die Mobil­ität der Dienstbot:innen. Joseph Ramiller war vorher in Kiens angestellt gewe­sen, Georg Meßn­er in St. Geor­gen, Maria Liens­berg­er in Son­nen­burg. Jakob Neun­häuser­er hat­te vor seinem Engage­ment beim Stern beim Brunnbäck in der Bru­neck­er Stadt­gasse, ein­er Bäck­erei mit Wein­auss­chank[3] gear­beit­et, vielle­icht — wie auch beim Stern — als Füt­ter­er. Theres Hack­hofer war eben­falls von einem Wirtshaus, der „Wirt­stabern zum Schwarzen Rössl“ gekom­men, wobei sie ein­fach von ein­er zur anderen Seite des Kapuzin­er­platzes wech­selte. Maria Mayr hat­te 1839 bere­its seit mehr als 15 Jahren in Bru­neck gear­beit­et. Katha­ri­na Hochgru­ber schließlich hat­te zwei Jahre beim Fuhrmann und Wein­händler Peter Har­rass­er[4] in Bru­neck im Dienst ges­tanden.

Das Per­son­al unter­stützte die Wirt­sleute in ihrer täglichen Arbeit, wobei alle Mit­glieder der Fam­i­lie des Haus­be­sitzers, auch die Kinder, mithelfen mussten. Der gold­ene Stern war ein typ­is­ches Wirtshaus an ein­er viel befahre­nen Straße, in dem sich Men­schen aus unter­schiedlichen sozialen Schicht­en aus Bru­neck und der Umge­bung der Stadt mit Durchreisenden trafen. Im Wirtshaus zirkulierten stets aktuelle Infor­ma­tio­nen, Waren und Kap­i­tal, hier kam man für geschäftliche und rechtliche Ver­hand­lun­gen zusam­men, eben­so für das gemein­same Essen und Trinken bei Lebensereignis­sen wie Taufen, Hochzeit­en und Beerdi­gun­gen.

Joseph Told jun. hat­te die „Wirt­stabern am Gold­e­nen Stern“ von 1806 bis 1852 inne, als er im Alter von 71 Jahren starb. 1807 war er als Inwohn­er von Bru­neck aufgenom­men wor­den, von 1820 bis 1822 war er Bürg­er­meis­ter der Stadt gewe­sen. Zur Wirtschaft gehörte während sein­er Zeit als Besitzer ein Obst­garten mit sel­te­nen Frücht­en.[5]

Ab 1842 traf sich im gold­e­nen Stern der soge­nan­nte „Vere­in zum gesel­li­gen Vergnü­gen“, meis­tens ein­fach Kasi­no genan­nt, der vom Lan­drichter Anton Pet­zer ins Leben gerufen wurde und das gesellschaftliche Leben ein­er bürg­er­lich-adeli­gen Ober­schicht pflegte. 1874 gehörte das Gasthaus zum gold­e­nen Stern neben der Post, der Sonne, dem Lamm und Kirch­berg­ers Bräuhaus zu den „fre­quentesten Gasthöfe[n] für das reisende Pub­likum“ in Bru­neck, wie die Volkswirthschaftliche[n] Blät­ter, eine Beilage des Pusterthaler Boten, ver­melde­ten.[6] In später­er Zeit wurde das tra­di­tion­sre­iche Wirtshaus in eine Kaserne umge­wan­delt. An ihrer Stelle ste­ht seit den 1980er Jahren das “Haus Michael Pach­er”.


Anmerkun­gen:

[1] Vgl. Niko­laus Grass (Hg.), Her­mann Wopfn­er: Berg­bauern­buch. Von Arbeit und Leben des Tirol­er Berg­bauern 3. Band: Wirtschaftlich­es Leben, VII.-XII. Haupt­stück (Schlern-Schriften 298 / Tirol­er Wirtschaftsstu­di­en 49. Folge), Inns­bruck 1997, S. 22; Johannes Grieß­mair, Knecht und Magd in Südtirol, dargestellt am Beispiel der bäuer­lichen Dien­st­boten im Puster­tal (Veröf­fentlichun­gen der Uni­ver­stät Inns­bruck 30, Volk­skundliche Forschun­gen / Inns­bruck­er Beiträge zur Europäis­chen Eth­nolo­gie I), Inns­bruck 1970, S. 40–41.
[2] Tauf‑, Heirats- und Ster­be­buch Enneberg 1784–1870, S. 77.
[3] Vgl. Mar­ti­na Ober­mair, Gewer­be­to­pogra­phie des Stadt- und Ober­amts­gericht­es Bru­neck in der Zeit von 1700 bis 1860, Diss. phil. Inns­bruck 1984/85, S. 231–232.
[4] Vgl. Ober­mair, Gewer­be­to­pogra­phie, S. 476–477.
[5] Vgl. Ober­mair, Gewer­be­to­pogra­phie, S. 211–213.
[6] Volk­swirtschaftliche Blät­ter, Beilage zum Pusterthaler Boten Nr. 36, 4. Sep­tem­ber 1874, S. 2.

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