Im Jahr 1839 teilte Joseph Toldt, Wirt am goldenen Stern (Hausnummer 159) im Brunecker Außerragen, dem Stadtmagistrat den Stand seines Personals mit. Die Stadt erstellte nämlich jährlich Verzeichnisse, in denen alle Fremden aufgelistet wurden, die sich in Bruneck aufhielten. Das Schreiben des Sternwirts gibt einen Einblick in den Personalstand eines Gastbetriebes im frühen 19. Jahrhundert.
Wirte stellten nicht nur Speisen und Getränke, zum Teil auch Unterkünfte zur Verfügung, sondern sie waren immer auch Landwirte und Transport-Dienstleister, die für die eigenen Gäste Fuhrwerke unterhielten, selbst Güter transportierten, die Pferde von Durchreisenden versorgten oder aber für den Postlauf zuständig waren. Die Quelle im Stadtarchiv bietet eine Momentaufnahme über die Vielfalt von Dienstbotinnen und Dienstboten, die für den Betrieb notwendig waren und nennt insgesamt neun lohnabhängige Angestellte. Der Bauknecht Georg Meßner, der Fütterer Jakob Neunhäuserer, der Hirtenbub Matthias Taibon und die Felddirn Katharina Hochgruber waren eher der Landwirtschaft zugeordnet, der Hausknecht Martin Kofler, die Kellnerin Theres Hackhofer, die Küchendirn Maria Liensberger und die Hausdirn Maria Mayr eher der häuslichen Sphäre des Wirtshauses. Der Fuhrknecht Joseph Ramiller (Radmüller?) wurde sowohl für die Haus- als auch für die Landwirtschaft gebraucht, es ist aber anzunehmen, dass auch die anderen Genannten je nach Bedarf eingesetzt wurden.
Was die landwirtschaftlichen Dienstbot:innen betrifft, gab es eine mehr oder weniger feste Hierarchie: Den ersten Platz unter den Angestellten nahm der Bauknecht ein. An zweiter Stelle stand der große Knecht (auch großer Feldknecht oder Stadler). An dritter Stelle folgten weitere zwei Knechte, der Feldknecht und der kleine Knecht (Fütterer). Am unteren Ende der Rangordnung standen der kleine Fütterer sowie ein oder zwei Hütbuben.[1] In der Aufstellung von Joseph Toldt bildet sich auch einer der zwei üblichen Zeitpunkte für den Dienstgeberwechsel ab, der entweder an Maria Lichtmeß, dem 2. Februar, oder aber am Stephanstag erfolgte. Die Angestellten beim goldenen Stern waren großteils seit Lichtmeß vorangegangener Jahre oder des laufenden Jahres im Dienst.
Die in der Aufstellung genannten Personen stammten alle aus der näheren Umgebung von Bruneck. Martin Kofler war in der Stadt geboren, Georg Meßner war wie auch Katharina Hochgruber aus Reischach gekommen. Joseph Ramiller war aus Sankt Sigmund, Theres Hackhofer aus Toblach. Maria Liensberger stammte wohl vom Liensbergerhof oberhalb des Kniepasses zwischen Kiens und Sonnenburg. Maria Mayr war aus Innichen gebürtig. Jakob Neunhäuserer und der Hirtenbub Mathias Taibon stammten aus dem ladinischsprachigen Enneberg. Am 28. Februar 1823 wurde in der Pfarre Enneberg ein Matthias Taibon, Sohn des Peter und der Anna Ellekosta, getauft.[2] Falls es sich bei ihm um den Hütebuben beim Sternwirt handelt, war dieser 1839 16 Jahre alt.
Die Quelle gibt auch Auskunft über die Mobilität der Dienstbot:innen. Joseph Ramiller war vorher in Kiens angestellt gewesen, Georg Meßner in St. Georgen, Maria Liensberger in Sonnenburg. Jakob Neunhäuserer hatte vor seinem Engagement beim Stern beim Brunnbäck in der Brunecker Stadtgasse, einer Bäckerei mit Weinausschank[3] gearbeitet, vielleicht — wie auch beim Stern — als Fütterer. Theres Hackhofer war ebenfalls von einem Wirtshaus, der „Wirtstabern zum Schwarzen Rössl“ gekommen, wobei sie einfach von einer zur anderen Seite des Kapuzinerplatzes wechselte. Maria Mayr hatte 1839 bereits seit mehr als 15 Jahren in Bruneck gearbeitet. Katharina Hochgruber schließlich hatte zwei Jahre beim Fuhrmann und Weinhändler Peter Harrasser[4] in Bruneck im Dienst gestanden.
Das Personal unterstützte die Wirtsleute in ihrer täglichen Arbeit, wobei alle Mitglieder der Familie des Hausbesitzers, auch die Kinder, mithelfen mussten. Der goldene Stern war ein typisches Wirtshaus an einer viel befahrenen Straße, in dem sich Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten aus Bruneck und der Umgebung der Stadt mit Durchreisenden trafen. Im Wirtshaus zirkulierten stets aktuelle Informationen, Waren und Kapital, hier kam man für geschäftliche und rechtliche Verhandlungen zusammen, ebenso für das gemeinsame Essen und Trinken bei Lebensereignissen wie Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen.
Joseph Told jun. hatte die „Wirtstabern am Goldenen Stern“ von 1806 bis 1852 inne, als er im Alter von 71 Jahren starb. 1807 war er als Inwohner von Bruneck aufgenommen worden, von 1820 bis 1822 war er Bürgermeister der Stadt gewesen. Zur Wirtschaft gehörte während seiner Zeit als Besitzer ein Obstgarten mit seltenen Früchten.[5]
Ab 1842 traf sich im goldenen Stern der sogenannte „Verein zum geselligen Vergnügen“, meistens einfach Kasino genannt, der vom Landrichter Anton Petzer ins Leben gerufen wurde und das gesellschaftliche Leben einer bürgerlich-adeligen Oberschicht pflegte. 1874 gehörte das Gasthaus zum goldenen Stern neben der Post, der Sonne, dem Lamm und Kirchbergers Bräuhaus zu den „frequentesten Gasthöfe[n] für das reisende Publikum“ in Bruneck, wie die Volkswirthschaftliche[n] Blätter, eine Beilage des Pusterthaler Boten, vermeldeten.[6] In späterer Zeit wurde das traditionsreiche Wirtshaus in eine Kaserne umgewandelt. An ihrer Stelle steht seit den 1980er Jahren das “Haus Michael Pacher”.
Anmerkungen:
[1] Vgl. Nikolaus Grass (Hg.), Hermann Wopfner: Bergbauernbuch. Von Arbeit und Leben des Tiroler Bergbauern 3. Band: Wirtschaftliches Leben, VII.-XII. Hauptstück (Schlern-Schriften 298 / Tiroler Wirtschaftsstudien 49. Folge), Innsbruck 1997, S. 22; Johannes Grießmair, Knecht und Magd in Südtirol, dargestellt am Beispiel der bäuerlichen Dienstboten im Pustertal (Veröffentlichungen der Universtät Innsbruck 30, Volkskundliche Forschungen / Innsbrucker Beiträge zur Europäischen Ethnologie I), Innsbruck 1970, S. 40–41.
[2] Tauf‑, Heirats- und Sterbebuch Enneberg 1784–1870, S. 77.
[3] Vgl. Martina Obermair, Gewerbetopographie des Stadt- und Oberamtsgerichtes Bruneck in der Zeit von 1700 bis 1860, Diss. phil. Innsbruck 1984/85, S. 231–232.
[4] Vgl. Obermair, Gewerbetopographie, S. 476–477.
[5] Vgl. Obermair, Gewerbetopographie, S. 211–213.
[6] Volkswirtschaftliche Blätter, Beilage zum Pusterthaler Boten Nr. 36, 4. September 1874, S. 2.