Reise nach Jerusalem von Andreas Oberhofer

Umschlag des 1853 erschiene­nen Büch­leins bzw. der Neuau­flage durch den Ver­band der Krip­pen­fre­unde Südtirols, Orts­gruppe Bru­neck, im Juni 1988 (dip­druck Bru­neck). Stadtarchiv Bru­neck, Nach­lass Hubert Stem­berg­er, Buch Nr. 303.

In den Jahren 1850/51 unter­nahm der Bru­neck­er Bäck­er­meis­ter Johann Georg Hilber (1811–1863) gemein­sam mit Josef Tafern­er aus Pfalzen eine Pil­ger­reise in das Heilige Land, die ihm den Über­na­men “Jerusalem­bäck” ein­brachte. Am 17. Novem­ber 1850 brachen die Reisenden in Bru­neck auf und kamen am 13. Mai 1851 zurück, nach­dem sie die Wei­h­nachts- und Osterzeit mit den wichtig­sten christlichen Feier­lichkeit­en des Kirchen­jahres an den his­torischen Orten in Palästi­na erlebt hat­ten. Seine Ein­drücke legte Hilber in einem detail­lierten Reise­bericht nieder, der eine inter­es­sante Quelle über die Pil­ger­fahrt darstellt. Die Schrift wurde 1853 als Büch­lein mit dem Titel “Pil­ger­reise in das Heilige Land” von Johann Georg Mahl in Bru­neck gedruckt.

Nach sein­er Rück­kehr baute Hilber eine große Krippe und bemühte sich, die in der Bibel genan­nten Stät­ten des Lebens Jesu geo­graphisch getreu nachzu­bilden; den Großteil der Fig­uren schnitzte er selb­st. Mit 2,70 Metern Länge und 1,50 Metern Tiefe füllte die aus Wurzel­stöck­en und Rinden zusam­menge­baute Krippe fast ein ganzes Zim­mer aus und war bis zu einem Umbau im Gasthaus Kro­ne im Ober­ra­gen aufgestellt.

Raimund Jesach­er veröf­fentlichte 1991 im Schlern einen Beitrag über Johann Georg Hilber als Pio­nier der ori­en­tal­is­chen Krippe, die von Bru­neck, aber auch von Thaur im Inntal und dort von einem Jerusalem­pil­ger namens Felix Zim­mer­ling (1812–1869) aus­ge­hend der bis dahin vorherrschende Tirol­erkrippe zunehmend Konkur­renz machte.

Wer­bung für das Buch “Pil­ger­reise in das heilige Land” im Puster­taler Both­en vom 5. August 1853 (S. 4). Teß­mann dig­i­tal.

Beson­ders inter­es­sant an Hilbers Bericht sind die Beschrei­bun­gen der einzel­nen Etap­pen der Hin- und Rück­reise, die Ein­blick in die dama­li­gen Arten der Fort­be­we­gung gewähren. So ist bemerkenswert, dass das erste Stück des Weges von Bru­neck nach “Höll­stein” (Höh­len­stein­tal) mit zwei weit­eren Begleit­ern, den Nach­barn im Ober­ra­gen Johann Stau­dacher und Franz Mutschlech­n­er, ver­mut­lich zu Fuß zurück­gelegt wurde. Über “Ampez­zo” (Corti­na), Per­aro­lo, Lon­garone, “Capo di ponte” (Ponte nelle Alpi), San­ta Croce, “Cane­da” (Cène­da, Vit­to­rio Vene­to), Conegliano und Tre­vi­so kamen die Pil­gern­den teils zu Fuß, teils mit Stell- und Post­wä­gen und zulet­zt mit der Eisen­bahn nach Venedig.

Hier begeg­net erst­mals ein Hin­weis auf eine frühere Reise, die der nicht nur bibelfeste, son­dern auch kun­stin­ter­essierte und bele­sene Bru­neck­er Bäck­er­meis­ter offen­bar unter­nom­men hat­te. Zu ein­er Besich­ti­gung des Dogen­palastes merk­te er an, dass er diesen “zwar schon früher, aber nur flüchtig, überse­hen hat­te”. Der Markus­dom begeis­terte ihn der­maßen, dass er zum Urteil gelangte: “Der Fuß­bo­den über­trifft nach mein­er Ansicht sog­ar jenen der Peter­skirche in Rom” (S. 7). Es stellt sich die Frage, ob Hilber auch nach Rom gereist war oder ob er die Kunst­werke der ‘ewigen Stadt’ aus Büch­ern kan­nte. An ander­er Stelle spielte er in seinem Bericht aber­mals auf Rom an, als er von der Säule schrieb, an der Jesus gegeißelt gewor­den sein soll: “die andere Hälfte ist in Rom, so viel ich weiß, in der Kirche der heili­gen Praxedis” (S. 45).

Als die bei­den Reisenden in Tri­est auf eine Über­fahrt warteten, woll­ten sie mit dem Agen­ten der Schiff­fahrt­slin­ie per­sön­lich den Preis aushan­deln. An dieser Stelle find­et sich ein inter­es­san­ter Hin­weis auf Bru­neck­er Net­zw­erke (S. 8–9):

Allein da wir von der Frau Kehrer einen Brief an Her­rn Stech­er hat­ten, so wollte ich zuvor mit diesem Rück­sprache nehmen. Da er in unser­er Nähe wohnte, so waren wir flugs bei ihm. Er nahm sich uns mit Fre­undlichkeit an. Rück­sichtlich unser­er Anliegen­heit sagte er, vom Tar­ife werde man nicht abge­hen kön­nen, wären wir aber wegen Geldes in Ver­legen­heit, so wolle er uns solch­es schon vorstreck­en. Er ver­sprach uns, mit Her­rn von Brug­ger, einem Brud­er des Her­rn Rech­nungsraths von Aufhofen [Josef Brug­ger, k.k. pen­sion­iert­er Rech­nungsrat und Ver­wal­ter der Wels­berg­er Besitzun­gen, Anm.], zu sprechen, weil sel­ber Mita­gent der Lloy­d­dampf­schiff­s­ge­sellschaft und sein intim­ster Fre­und sei, und bestellte uns, am näch­sten Tage wieder zu kom­men. Er bewirk­te uns nicht nur, daß wir mit dem Preise des drit­ten Platzes auf den zweit­en kamen, son­dern auch mehrere Rec­om­men­da­tio­nen, beson­ders vom bel­gis­chen Con­sul, der vor eini­gen Jahren diese Reise selb­st gemacht hat­te. Ein­mal mußten wir bei ihm speisen; da glaubten wir uns an ein­er fürstlichen Tafel; kurz, der Aufen­thalt in Tri­est wurde uns durch diesen liebevollen Mann verkürzt. Nicht leicht wird sich ein Mann von Anse­hen einem Lands­man­ne zu Liebe so viel Mühe geben, wie dieser Herr; […].

In Tri­est lebte also der Brud­er eines Beamten in Aufhofen namens Brug­ger, der als Agent ein­er Schiff­fahrts­ge­sellschaft tätig war und sich für Hilber und Tafern­er um einen gün­stigeren Preis für die Über­fahrt bemühte.

In der Folge gab es immer wieder Begeg­nun­gen mit Land­sleuten. In einem Kaf­fee­haus in Kon­stan­tinopel etwa trafen die Reisenden auf einen Wiener, einen Bay­ern, “und selb­st auf einen Tirol­er von Inns­bruck” (S. 16). In der Nähe von Jaf­fa unter­hielt sich Hilber “auf ital­ienisch” mit einem anderen Pil­ger, der auch “etwas ara­bisch ver­stand” (S. 27). Daneben weck­ten Gebäude und Ortschaften Erin­nerun­gen an die Heimat. In Kon­stan­tinopel dachte Hilber in ein­er katholis­chen Kirche an die neue Pfar­rkirche von Bru­neck (S. 15). In der Nähe des Geburtshaus­es Johannes des Täufers und des Haus­es, in dem Elis­a­beth von der Gottes­mut­ter Maria besucht wor­den sein soll, emp­fand der Bäck­er­meis­ter: “Die Lage hat etwas ähn­lich­es mit dem Dorfe Gais bei uns und Maria Heim­suchung in Neuhaus, obwohl hier die Gegend von Neuhaus viel wilder ist” (S. 42). Die Kirche des Klosters St. Sal­va­tor in Jerusalem ver­glich er mit der Pfar­rkirche in St. Loren­zen (“eine alte dun­kle, mit einem auf sehr dick­en Pfeil­ern ruhen­den Kreuzgewölbe verse­hene Kirche, ist sehr niedrig”, S. 44).

An vie­len Stellen blitzt Hilbers Inter­esse für die Bek­lei­dung der Men­schen durch, die er mitunter detail­liert beschreibt. Dieses beina­he ethno­graphis­che Beobacht­en und Mem­o­ri­eren war ihm nach der Rück­kehr von Nutzen für die Gestal­tung der Fig­uren sein­er Krippe aus der Erin­nerung her­aus. Es ist nicht bekan­nt bzw. es gibt keine Hin­weise darauf, dass er im heili­gen Land Skizzen ange­fer­tigt hätte. Eben­sowenig wis­sen wir, ob Hilber Tage­buch geführt hat. Textstellen wie die fol­gende über die Men­schen in Beth­le­hem deuten aber darauf hin, dass er sich während sein­er Reise zumin­d­est Noti­zen gemacht haben muss:

Ihre Klei­dung soll, wie über­haupt in Palästi­na, noch nach der näm­lichen Art sein, wie sie bei der Geburt Christi getra­gen wurde, so daß man an ein­er Beth­le­hemitin das Kostüm der heili­gen Jungfrau zu erse­hen glaubt. Das männliche Geschlecht hat ein Hemd über dem Leib, welch­es bis unter die Kniee reicht; um die Mitte eine Binde; an Werk­ta­gen ist das Hemd von schmutzig weißer, an Fest­ta­gen von ver­schieden­er Farbe, doch meis­tens schar­lachrother. Auf dem Haupte tra­gen sie theils rothe griechis­che Hauben, theils auch Tur­bane; die Tur­bane der Türken allein dür­fen von weißer Farbe sein. An gemeinen Tagen tra­gen sie häu­fig keine Schuhe; die à la türkisch gemacht­en Hosen, wenn sie solche tra­gen, sind meis­tens weiß (S. 36).

Im Ver­gle­ich zu den aus­führlichen Beschrei­bun­gen der heili­gen Stät­ten, der Natur, den Städten und Dör­fern und den darin leben­den Men­schen fällt die Erzäh­lung über die Heim­reise recht kurz aus. Hilber und Tafern­er reis­ten an der griechis­chen, alban­is­chen und dal­ma­tis­chen Küste ent­lang nach Tri­est. Im Bericht schrieb der Bäck­er­meis­ter:

Nach­dem wir unsern Dank den Her­ren Stech­er, v. Brug­ger und Kreik­er, dem bel­gis­chen Con­sul, abges­tat­tet hat­ten, reis­ten wir ab; ich über Udine, weil ich diesen Strich Ital­iens gerne sehen wollte, Tafern­er mit dem Dampf­schiffe über Venedig nach Pad­ua, wo wir am 6. Mai wieder zusam­men­trafen (S. 111).

Weit­er ging die Reise nach Verona, Peschiera, Riva, Rovere­to und Tri­ent. Dort erlebte Hilber “die große Orgel in S. Maria mag­giore” und er äußerte seinen Wun­sch, “daß auch für unsere neue Pfar­rkirche zu Bru­neck eine solche Orgel zu bekom­men sein möchte” (S. 111). Am 10. Mai ging es für Hilber weit­er nach Bozen, für Tafern­er nach Kaltern. Am 13. Mai trafen sich die bei­den in Brix­en und kamen am sel­ben Tag in Bru­neck an.


Die Quelle

Johann Hilber, Bäck­er­meis­ter in Bru­neck, Pil­ger­reise in das heilige Land in den Jahren 1851/52, Bru­neck: Johann Georg Mahl 1853. Unverän­dert­er Nach­druck Bru­neck: dip­druck 1988.

Lit­er­atur

Raimund Jesach­er, Johann Georg Hilber. Ein Pio­nier der ori­en­tal­is­chen Krippe. 19. April 1811 — 25. Juni 1863, in: Der Schlern, Jg. 65 (1991), Heft 1, 54–59.

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