
Umschlag des 1853 erschienenen Büchleins bzw. der Neuauflage durch den Verband der Krippenfreunde Südtirols, Ortsgruppe Bruneck, im Juni 1988 (dipdruck Bruneck). Stadtarchiv Bruneck, Nachlass Hubert Stemberger, Buch Nr. 303.
In den Jahren 1850/51 unternahm der Brunecker Bäckermeister Johann Georg Hilber (1811–1863) gemeinsam mit Josef Taferner aus Pfalzen eine Pilgerreise in das Heilige Land, die ihm den Übernamen “Jerusalembäck” einbrachte. Am 17. November 1850 brachen die Reisenden in Bruneck auf und kamen am 13. Mai 1851 zurück, nachdem sie die Weihnachts- und Osterzeit mit den wichtigsten christlichen Feierlichkeiten des Kirchenjahres an den historischen Orten in Palästina erlebt hatten. Seine Eindrücke legte Hilber in einem detaillierten Reisebericht nieder, der eine interessante Quelle über die Pilgerfahrt darstellt. Die Schrift wurde 1853 als Büchlein mit dem Titel “Pilgerreise in das Heilige Land” von Johann Georg Mahl in Bruneck gedruckt.
Nach seiner Rückkehr baute Hilber eine große Krippe und bemühte sich, die in der Bibel genannten Stätten des Lebens Jesu geographisch getreu nachzubilden; den Großteil der Figuren schnitzte er selbst. Mit 2,70 Metern Länge und 1,50 Metern Tiefe füllte die aus Wurzelstöcken und Rinden zusammengebaute Krippe fast ein ganzes Zimmer aus und war bis zu einem Umbau im Gasthaus Krone im Oberragen aufgestellt.
Raimund Jesacher veröffentlichte 1991 im Schlern einen Beitrag über Johann Georg Hilber als Pionier der orientalischen Krippe, die von Bruneck, aber auch von Thaur im Inntal und dort von einem Jerusalempilger namens Felix Zimmerling (1812–1869) ausgehend der bis dahin vorherrschende Tirolerkrippe zunehmend Konkurrenz machte.

Werbung für das Buch “Pilgerreise in das heilige Land” im Pustertaler Bothen vom 5. August 1853 (S. 4). Teßmann digital.
Besonders interessant an Hilbers Bericht sind die Beschreibungen der einzelnen Etappen der Hin- und Rückreise, die Einblick in die damaligen Arten der Fortbewegung gewähren. So ist bemerkenswert, dass das erste Stück des Weges von Bruneck nach “Höllstein” (Höhlensteintal) mit zwei weiteren Begleitern, den Nachbarn im Oberragen Johann Staudacher und Franz Mutschlechner, vermutlich zu Fuß zurückgelegt wurde. Über “Ampezzo” (Cortina), Perarolo, Longarone, “Capo di ponte” (Ponte nelle Alpi), Santa Croce, “Caneda” (Cèneda, Vittorio Veneto), Conegliano und Treviso kamen die Pilgernden teils zu Fuß, teils mit Stell- und Postwägen und zuletzt mit der Eisenbahn nach Venedig.
Hier begegnet erstmals ein Hinweis auf eine frühere Reise, die der nicht nur bibelfeste, sondern auch kunstinteressierte und belesene Brunecker Bäckermeister offenbar unternommen hatte. Zu einer Besichtigung des Dogenpalastes merkte er an, dass er diesen “zwar schon früher, aber nur flüchtig, übersehen hatte”. Der Markusdom begeisterte ihn dermaßen, dass er zum Urteil gelangte: “Der Fußboden übertrifft nach meiner Ansicht sogar jenen der Peterskirche in Rom” (S. 7). Es stellt sich die Frage, ob Hilber auch nach Rom gereist war oder ob er die Kunstwerke der ‘ewigen Stadt’ aus Büchern kannte. An anderer Stelle spielte er in seinem Bericht abermals auf Rom an, als er von der Säule schrieb, an der Jesus gegeißelt geworden sein soll: “die andere Hälfte ist in Rom, so viel ich weiß, in der Kirche der heiligen Praxedis” (S. 45).
Als die beiden Reisenden in Triest auf eine Überfahrt warteten, wollten sie mit dem Agenten der Schifffahrtslinie persönlich den Preis aushandeln. An dieser Stelle findet sich ein interessanter Hinweis auf Brunecker Netzwerke (S. 8–9):
Allein da wir von der Frau Kehrer einen Brief an Herrn Stecher hatten, so wollte ich zuvor mit diesem Rücksprache nehmen. Da er in unserer Nähe wohnte, so waren wir flugs bei ihm. Er nahm sich uns mit Freundlichkeit an. Rücksichtlich unserer Anliegenheit sagte er, vom Tarife werde man nicht abgehen können, wären wir aber wegen Geldes in Verlegenheit, so wolle er uns solches schon vorstrecken. Er versprach uns, mit Herrn von Brugger, einem Bruder des Herrn Rechnungsraths von Aufhofen [Josef Brugger, k.k. pensionierter Rechnungsrat und Verwalter der Welsberger Besitzungen, Anm.], zu sprechen, weil selber Mitagent der Lloyddampfschiffsgesellschaft und sein intimster Freund sei, und bestellte uns, am nächsten Tage wieder zu kommen. Er bewirkte uns nicht nur, daß wir mit dem Preise des dritten Platzes auf den zweiten kamen, sondern auch mehrere Recommendationen, besonders vom belgischen Consul, der vor einigen Jahren diese Reise selbst gemacht hatte. Einmal mußten wir bei ihm speisen; da glaubten wir uns an einer fürstlichen Tafel; kurz, der Aufenthalt in Triest wurde uns durch diesen liebevollen Mann verkürzt. Nicht leicht wird sich ein Mann von Ansehen einem Landsmanne zu Liebe so viel Mühe geben, wie dieser Herr; […].
In Triest lebte also der Bruder eines Beamten in Aufhofen namens Brugger, der als Agent einer Schifffahrtsgesellschaft tätig war und sich für Hilber und Taferner um einen günstigeren Preis für die Überfahrt bemühte.
In der Folge gab es immer wieder Begegnungen mit Landsleuten. In einem Kaffeehaus in Konstantinopel etwa trafen die Reisenden auf einen Wiener, einen Bayern, “und selbst auf einen Tiroler von Innsbruck” (S. 16). In der Nähe von Jaffa unterhielt sich Hilber “auf italienisch” mit einem anderen Pilger, der auch “etwas arabisch verstand” (S. 27). Daneben weckten Gebäude und Ortschaften Erinnerungen an die Heimat. In Konstantinopel dachte Hilber in einer katholischen Kirche an die neue Pfarrkirche von Bruneck (S. 15). In der Nähe des Geburtshauses Johannes des Täufers und des Hauses, in dem Elisabeth von der Gottesmutter Maria besucht worden sein soll, empfand der Bäckermeister: “Die Lage hat etwas ähnliches mit dem Dorfe Gais bei uns und Maria Heimsuchung in Neuhaus, obwohl hier die Gegend von Neuhaus viel wilder ist” (S. 42). Die Kirche des Klosters St. Salvator in Jerusalem verglich er mit der Pfarrkirche in St. Lorenzen (“eine alte dunkle, mit einem auf sehr dicken Pfeilern ruhenden Kreuzgewölbe versehene Kirche, ist sehr niedrig”, S. 44).
An vielen Stellen blitzt Hilbers Interesse für die Bekleidung der Menschen durch, die er mitunter detailliert beschreibt. Dieses beinahe ethnographische Beobachten und Memorieren war ihm nach der Rückkehr von Nutzen für die Gestaltung der Figuren seiner Krippe aus der Erinnerung heraus. Es ist nicht bekannt bzw. es gibt keine Hinweise darauf, dass er im heiligen Land Skizzen angefertigt hätte. Ebensowenig wissen wir, ob Hilber Tagebuch geführt hat. Textstellen wie die folgende über die Menschen in Bethlehem deuten aber darauf hin, dass er sich während seiner Reise zumindest Notizen gemacht haben muss:
Ihre Kleidung soll, wie überhaupt in Palästina, noch nach der nämlichen Art sein, wie sie bei der Geburt Christi getragen wurde, so daß man an einer Bethlehemitin das Kostüm der heiligen Jungfrau zu ersehen glaubt. Das männliche Geschlecht hat ein Hemd über dem Leib, welches bis unter die Kniee reicht; um die Mitte eine Binde; an Werktagen ist das Hemd von schmutzig weißer, an Festtagen von verschiedener Farbe, doch meistens scharlachrother. Auf dem Haupte tragen sie theils rothe griechische Hauben, theils auch Turbane; die Turbane der Türken allein dürfen von weißer Farbe sein. An gemeinen Tagen tragen sie häufig keine Schuhe; die à la türkisch gemachten Hosen, wenn sie solche tragen, sind meistens weiß (S. 36).
Im Vergleich zu den ausführlichen Beschreibungen der heiligen Stätten, der Natur, den Städten und Dörfern und den darin lebenden Menschen fällt die Erzählung über die Heimreise recht kurz aus. Hilber und Taferner reisten an der griechischen, albanischen und dalmatischen Küste entlang nach Triest. Im Bericht schrieb der Bäckermeister:
Nachdem wir unsern Dank den Herren Stecher, v. Brugger und Kreiker, dem belgischen Consul, abgestattet hatten, reisten wir ab; ich über Udine, weil ich diesen Strich Italiens gerne sehen wollte, Taferner mit dem Dampfschiffe über Venedig nach Padua, wo wir am 6. Mai wieder zusammentrafen (S. 111).
Weiter ging die Reise nach Verona, Peschiera, Riva, Rovereto und Trient. Dort erlebte Hilber “die große Orgel in S. Maria maggiore” und er äußerte seinen Wunsch, “daß auch für unsere neue Pfarrkirche zu Bruneck eine solche Orgel zu bekommen sein möchte” (S. 111). Am 10. Mai ging es für Hilber weiter nach Bozen, für Taferner nach Kaltern. Am 13. Mai trafen sich die beiden in Brixen und kamen am selben Tag in Bruneck an.
Die Quelle
Johann Hilber, Bäckermeister in Bruneck, Pilgerreise in das heilige Land in den Jahren 1851/52, Bruneck: Johann Georg Mahl 1853. Unveränderter Nachdruck Bruneck: dipdruck 1988.
Literatur
Raimund Jesacher, Johann Georg Hilber. Ein Pionier der orientalischen Krippe. 19. April 1811 — 25. Juni 1863, in: Der Schlern, Jg. 65 (1991), Heft 1, 54–59.