Andreas Hofers (1767–1810) Rolle im sogenannten Tiroler Freiheitskampf und sein tragisches Ende machten den Sandwirt im Passeier Hofer als Volks- und Landeshelden unsterblich und waren der Startpunkt für die Bildung des Mythos um seine Person, der bis heute in Tirol und darüber hinaus hochgehalten und gepflegt wird.
Im Stadtarchiv Bruneck hat sich innerhalb eines Bündels mit handschriftlichen und gedruckten Dokumenten aus dem Jahr 1809 ein Schreiben erhalten, das Andreas Hofers eigenhändige Unterschrift trägt. Es handelt sich um einen Aufruf, den er am 28. Juli 1809 gemeinsam mit Johann Nepomuk von Kolb in Lienz entwarf. Der Text ist auf einem Doppelblatt in Folioformat geschrieben, wobei der Schreiber nicht bekannt ist. Auffallend ist das Fehlen eines Siegels, das normalerweise als Bestätigung der Echtheit und Bekräftigung der Unterschriften diente. Das Papier stammt aus der Papiermühle Falger in Reutte, das Wasserzeichen zeigt ein gekröntes Wappen mit Löwen als Wappenträger und im Schild die Initialen CINIF für „Carl Ignaz und Josef Falger“. Weitere Ausfertigungen desselben Schreibens, jeweils mit eigenhändigen Unterschriften von Hofer und Kolb, sind im Südtiroler Landesarchiv in Bozen, in der Bibliothek des Ferdinandeums in Innsbruck sowie im Museum der Stadt Villach in Kärnten überliefert, ein weiteres Exemplar wurde 2006 bei einem Auktionshaus zum Kauf angeboten.
In dem Schreiben teilen Hofer als Oberkommandant („Andere Hofer ober Comen dant Vo Passeyr“) und Kolb als „k.k. Defensions Commandant im Pusterthal“ mit, dass sich der Feind den Grenzen nähere. Sie fordern die Gerichte auf, sofort jeweils eine Schützenkompanie nach Lienz zu entsenden. Außerdem seien auch die nicht ausrückenden Mannschaften in Bereitschaft zu halten.
Mitte Juli 1809 war der Waffenstillstand von Znaim geschlossen worden, dem zufolge die österreichischen Truppen Tirol zu räumen hatten. Hofer und Kolb wollten dieser Nachricht keinen Glauben schenken und erließen deshalb den vorliegenden leidenschaftlichen Aufruf zur weiteren Landesverteidigung. Max Gruber beschreibt die Situation in seinem 1952 erschienenen Werk „Bruneck und das westliche Pustertal im Jahre 1809“ folgendermaßen: „Den Vernünftigen schien damals die Fortsetzung des Widerstandes einfach ein Wahnwitz, nur die Bauern im Eisack- und Pustertal und die Städte Bruneck und Klausen ließen den Mut nicht sinken.“
Am 3. August 1809 zog das österreichische Militär durch das Pustertal ab, zu diesem Zeitpunkt konnte der geschlossene Waffenstillstand nicht mehr angezweifelt werden. Die Soldaten lagerten bei Bruneck in der Stegener Au; Hofer beobachtete den Abzug, dem sich auch Tiroler anschlossen, um sich in Innerösterreich der Verfolgung als Aufständische zu entziehen.
Die Ereignisse von 1809 fanden noch ein zweites Mal Niederschlag in der schriftlichen Überlieferung der Stadt Bruneck. Am 5. November marschierten die Franzosen ein, eine städtische Gesandtschaft erklärte bei Percha die Unterwerfung der Stadt, die in der Folge unter der Einquartierung großer Truppenkontingente zu leiden hatte. Am 30. November begannen die Landstürmer, welche die Stadt umringt hatten, mit dem Beschuss. Max Gruber beschreibt die Lage:
„Am Schloßberg wurden von den Franzosen Kanonen aufgestellt und in der Stadt alle Tore und Zugänge mit mit Mist gefüllten Fässern und dicken Brettern vermacht, auch an der Gartenmauer der Kapuziner und des Sternwirtshauses […] wurden Schießlöcher angebracht. Niemand durfte die Stadt verlassen oder betreten.“
Aus dem Hauptquartier der Schützen in Percha erging am 3. Dezember 1809 ein Drohschreiben an die Stadt Bruneck, in dem es heißt:
„Die Erbitterung unseres Volkes ist eben so groß, auf den unbarmhertzigen Feind, als auf etliche Einwohner von Prunöggen und wenn wür noch einmal stürmen, so ist Prunöggen ganz gewiß in Flammen. […] Beraten Sye sich also, was Sye zu thuen haben, damit ihre Statt nicht morgen oder übermorgen in Flammen steht. Im Namen des Oberkommandanten Andreas Hofer“.
Der Brunecker Stadtmagistrat antwortete auf diese Provokation am nächsten Tag:
„Wir haben das bedrohende Schreiben vom 3ten dieß richtig erhalten, finden aber nicht, wie uns in dermaligen Lage zugemutet wird, uns gegen die allda kantonierenden kais. Franz. Truppen feindlich zu betragen; wir müssen nur möglichst bedacht sein, solche in Güte auf Nachsicht zu bewegen; folgsam ist dero Forderung für uns ebenso bedrückend wie unthunlich.“
In den folgenden Tagen wurde die Stadt weiter beschossen, innerhalb der Mauern zeigte sich ein zunehmender Mangel an Lebensmitteln, Brennholz und Munition für die Franzosen. Die Landstürmer vor der Stadt aber zerstreuten sich allmählich und der französische General Almeras, der in der Stadt sein Quartier aufgeschlagen hatte, zog sich aus Bruneck zurück. Mit zwei Bataillonen bewegte er sich am 11. Dezember 1809 durch das Oberpustertal in Richtung Lienz. Im Jänner 1810 wurden Stadt und Schloss Bruneck von den Truppen des Generals Broussier besetzt, der vor allem aufgrund seiner Konsequenz in der Verfolgung und Hinrichtung ehemaliger Aufständischer Eingang in die Geschichtsschreibung über „Anno neun“ gefunden hat.
Weiterführende Literatur:
Max Gruber, Bruneck und das westliche Pustertal im Jahre 1809 (Schlern-Schriften 86), Innsbruck 1952.