Paul Tschurtschenthaler wurde zu seinem 70. Todestag im Jahr 2011 eine eigene Ausstellung gewidmet, die vor allem die Zeit des Faschismus in Bruneck und – noch genauer – die sogenannte Option in den Mittelpunkt gerückt hat.
Paul Tschurtschenthaler wurde 1874 als Sohn des Gottfried und der Anna Stemberger in Bruneck geboren. Nach dem Gymnasium in Brixen studierte er Natur- und Rechtswissenschaften in Innsbruck und trat danach in den Justizdienst ein. Er war zunächst Richter in Imst. Bereits 1909 gründete er dort ein Ortsmuseum und kaufte gemeinsam mit seinem Freund, dem Maler Thomas Walch, Ausstellungstücke zusammen, die gerade in jener Zeit ständig davon bedroht waren, von Antiquitätenhändlern massenhaft außer Landes verkauft zu werden. Noch vor dem Ersten Weltkrieg war Tschurtschenthaler Bezirksrichter im Sarntal, Landesgerichtsrat beim Kreisgericht Bozen und Grundbuchsanlegungskommissär. In dieser Zeit hatte er Gelegenheit, im südlichen Tirol weit herumzukommen, was sich in seinen zahlreichen Publikationen niedergeschlagen hat, von denen das Brunecker Heimatbuch und Bauernleben im Pustertal wohl die bekanntesten sind. 1912 gründete Tschurtschenthaler den Museumsverein Bruneck mit anfänglich 38 Mitgliedern. Nach seiner Versetzung nach Landeck aber begann der Niedergang des Museums, der natürlich auch durch den Ersten Weltkrieg bedingt war. In der Zeit des Faschismus wurde Tschurtschenthaler nach Turin versetzt und eröffnete danach eine Rechtsanwaltskanzlei in Bozen. 1933/34 zog er mit seiner Familie nach Bruneck, wo er als Grundbuchanlegungskommissar für die Bezirke Welsberg, Ahrntal und Enneberg sehr zurückgezogen lebte.
In seiner Tätigkeit als Grundbuchsanlegungskommissär hatte Tschurtschenthaler sowohl vor dem Ersten Weltkrieg als auch in den Jahren nach 1933/34 Gelegenheit, in direkten Kontakt zur Bevölkerung zu treten. In seinem Buch Es lebt ein Volk an Rienz, Eisack und Etsch nimmt vor allem die Episode über einen Aufenthalt im Tauferer Ahrntal breiten Raum ein, aber auch die Erhebungen in Enneberg werden ausführlich behandelt. Hieraus können wir schließen, dass Tschurtschenthaler diese Kapitel ab 1933 geschrieben hat. Interessant ist, wie sich der Brunecker Beamte, der sich mehrere Wochen, ja sogar Monate „im Feld“ aufhielt, der ländlichen Bevölkerung angenähert hat, mit ethnographischer Genauigkeit ihre Lebensweisen beschreibt. Er begegnet Vertretern der ländlichen Bevölkerung, die am Anfang des 20. Jahrhunderts noch weitgehend unberührt von touristischer Erschließung, Industrialisierung und Mobilität, in einer vornehmlich agrarisch und katholisch geprägten Welt lebten, die Tschurtschenthaler durchgehend in romantisierender Weise als heile Welt beschrieb, der er nostalgisch nachhing, da ihm sogar das Städtchen Bruneck als zu fortschrittlich und – in negativer Hinsicht – weltoffen erschien.
Weiterführende Literatur:
- Paul Tschurtschenthaler und seine Zeit/e la sua epoca. Eine Veranstaltungsreihe im Zeichen Brunecker Zeitgeschichte/Una serie di appuntamenti all’insegna della storia contemporanea di Brunico. Ausstellungskatalog, Bruneck 2011.
- Anton Dörrer, Paul Tschurtschenthaler (1874–1941), in: Hubert Stemberger (Hg.), Brunecker Buch. Festschrift zur 700-Jahr-Feier der Stadterhebung. Zweite Auflage, durch zahlreiche Abbildungen, Literaturhinweise, eine Zeittafel und ein Register ergänzt von Alois Dissertori (Schlern-Schriften 152), Innsbruck 2003, 249–262.
- Josef Gasteiger Wiesenegg / Margot Pizzini Dalsass (Bearb. unter Mitarbeit von Obermair Hannes und Pfeifer Gustav, mit einer Einführung von Lechner Stefan), Nirgends mehr daheim. Paul Tschurtschenthalers Brunecker Chronik 1935–1939, Bozen 2000.
- Josef Gasteiger Wiesenegg (Hg.), Paul Tschurtschenthalers Brunecker Chronik 1939–1941. So geh ich als einsamer Mensch hinweg. Mit einer Einführung von Stefan Lechner, o.O. 2011.
- Siehe auch: Geschichtswerkstatt 2011: „Paul Tschurtschenthaler und seine Zeit“