In der St.-Kilians-Kirche in Lüsen gibt es einen Opferstock aus Gusseisen. Als Relief ist an der Vorderseite dieses Geräts der heilige Martin zu sehen, der seinen Mantel mit einem Bettler teilt. Bei genauerem Hinsehen zeigt der Opferstock die Inschrift “PATENT FRITZ MAYR BRUNECK TIROL”. Am Sockel sind zwei eiserne Rosetten angebracht, von denen eine beweglich ist. Wird sie zur Seite gedreht, kann ein Schlüssel in das zum Vorschein kommende Schlüsselloch eingeführt werden.
Fritz Mayr betrieb in Bruneck eine Schlosserei und Maschinenhandlung. Offenbar besaß er auch das Patent für den einbruchsicheren Opferstock. Dieser ist in einer Ausgabe der Brixener Chronik vom 17. Mai 1895 detailliert beschrieben:
Ein Sicherheits-Opferstock. Dem Schlossermeister Fritz Mayr in Bruneck ist es gelungen, einen automatisch wirkenden Opferstock zu construieren, welcher es ermöglicht, jede Art von diebischen Eingriffen absolut zu verhindern. Dieser Opferstock besteht theilweise aus dicken Eisenblechwänden, theilweise aus massivem Gusseisen. Die Construction des Innern ist sehr sinnreich. Der Einwurf […] geschieht durch eine schmale Spalte, an welcher sich im unthätigen Zustande das Bild der Lourdes-Muttergottes (oder eventuell des betreffenden Kirchenpatrons etc.) befindet. In dem Moment, wo das betreffende Geldstück auf den Mechanismus wirkt, erscheint ein Täfelchen mit der Aufschrift: ’Vergelt’s Gott!‘“
Die Lienzer Zeitung hatte ein Jahr vorher, am 5. Mai 1894, berichtet, dass das k.u.k. Handelsministerium Fritz Mayr in Bruneck „ein ausschließendes Privilegium […] auf einen mechanischen Sicherheits-Opferstock“, sprich das auf der Vorderseite des Geräts prominent erwähnte Patent, erteilt habe.
Allerdings war man sich gar nicht sicher, ob Mayr tatsächlich der Erfinder war. Am 21. Mai 1895 korrigierte die Brixener Chronik ihre ursprüngliche Meldung und verlautbarte:
Nicht dem hiesigen Schlossermeister Fritz Mayr, wie Sie berichten, ist es endlich gelungen, einen einbruchsicheren Opferstock zu erfinden, sondern dessen ehemaliger Gehilfe Karl Studensky, Elektriker aus Weitra [im Bezirk Gmünd, Niederösterreich, Anm.], ist dessen Erfinder und hat auch darauf das Patent erworben, welches ihm sein Meister, wie man sicher annimmt, abgekauft hat.
Diese Information gehört zu einem Block aktueller Meldungen aus dem Pustertal (darunter auch Informationen zum Wetter, der Schneelage etc.), der der Brixener Chronik wohl von einem Redakteur in Bruneck übermittelt worden war.
Berichte in den Zeitungen aus der Zeit um 1900 legen nahe, dass immer wieder Opferstöcke ausgeraubt wurden. Die Brixener Chronik berichtete etwa am 17. August 1907:
Misslungener Opferstockdiebstahl. Wie dem „Schwazer Bezirksanzeiger“ berichtet wird, wurde kürzlich in der Kapelle in Finkenberg (Zillertal) dem Opferstock ein fremder „Besuch“ abgestattet. Im Innern desselben fand sich ein dreieckiges, mit starkem Vogelleim bestrichenes Bleiplättchen an schwarzem Faden. Es ging jedoch nichts auf den Leim und der gute Opferstock (von Fritz Mayr in Bruneck) behielt auch das Diebswerkzeug als Angedenken zurück.
Kirchendiebe waren bei ihren Missionen also mehr oder weniger einfallsreich, der Mayr’sche „Sicherheits-Opferstock“ sorgte aber zumindest in diesem Fall dafür, dass das gespendete Geld hinter Schloss und Riegel blieb.
Die Erfindung war ein Erfolg, der sich herumsprach. Werbung für die Geräte machte nicht zuletzt auch die Presse, deren Einschaltungen bisweilen über die reine Information hinausgingen. Der Pustertaler Bote etwa berichtete am 16. Februar 1906:
In der hiesigen Lourdes-Kapelle (in Abfaltersbach, Anm.) wurde ein vom Herrn Fritz Mayr, Schlossermeister in Bruneck, verfertigter automatischer Opferstock aufgestellt, welcher sehr praktisch gebaut und noch dazu eine Zierde jeder Kirche ist.
Die Frage, wo Fritz Mayr die Opferstöcke herstellte, d.h. ob es in Bruneck die Möglichkeit gab, Eisen zu schmelzen und zu gießen, muss vorerst noch offen bleiben, da es bis dato keine Forschungen zu diesem spannenden Thema der lokalen Gewerbegeschichte gibt.
Alle Fotos: © Stadtarchiv Bruneck.