Die „Geschichtswerkstatt“ des Stadtarchivs Bruneck hat Tradition: Jeweils im Spätherbst gibt es eine Reihe von Vorträgen zu einem Thema, das einen Aspekt der Stadtgeschichte beleuchtet. Aus Anlass des zehnjährigen Bestehens des Stadtarchiv im laufenden Jahr gibt es ein besonderes Angebot: Diesmal bildet das Thema des autobiographischen Schreibens den Fokus der Veranstaltungsreihe, die als Kooperation des Stadtarchivs und der Stadtbibliothek im Oktober und November über die Bühne geht. Nicht jahrhundertealte Geschichte wird somit beleuchtet, sondern das 20. und 21. Jahrhundert, die jüngste Vergangenheit, an die wir uns (fast) alle erinnern.
Am 25. Oktober stellt Friedrich Walter Gatterer sein Buch „Meine Lebensgeschichte“ vor, das er 2015 im Eigenverlag veröffentlicht hat. Angefangen mit den Kindheitsjahren „im Krieg“ und der Jugendzeit in Nord- und Südtirol beleuchtet es sowohl den bäuerlichen Alltag der Nachkriegsjahre als auch ein bewegtes Arbeitsleben als Maschinenschlosser, das den Autor nach der Lehre in der BRD zurück nach Südtirol und zeitweise bis nach Birmingham und in die USA führte – wobei Niederrasen, Bruneck und das Pustertal stets Lebensmittelpunkte blieben.
Waltraud Mittich wird am 8. November über ihr aktuelles Projekt „Die Saga“ berichten, ein Buch über die Geschichte ihrer Toblacher Familie. Es folgt auf den Roman „Ein Russe aus Kiew“, in dem sich die Autorin mit der Suche nach ihrem Vater, dem großen Abwesenden, beschäftigt hat. Konkreter, greifbarer sind die Vorfahren im Pustertal, die Mittichs, die ihre Felder pflügten und Kartoffeln ernteten. Autobiographisches Schreiben verschränkt sich in diesem Fall mit akribischer Forschung, die Suche nach Herkunft und Verwurzelung führt zurück in die Geschichte der Familie und ihrer Lebens-Orte. Diese Geschichte erscheint heute fern und reicht weit über die erinnerte Zeit hinaus.
Der Dritte im Bunde ist Franz Josef Moser, Brunecker Unternehmer und pater familias. Wie Friedrich Walter Gatterer zeichnet er seinen persönlichen Werdegang nach, wie bei Gatterer steht die Arbeitsbiographie im Vordergrund, die aber unter anderen Vorzeichen steht: „Pepi“ Moser war nicht Angestellter, sondern Chef, Direktor eines erfolgreichen Familienbetriebes in Bruneck, dessen Leitung er mittlerweile an einen seiner Söhne weitergegeben hat. Das Buch „Meine Lebensreise“ beschreibt das Leben und Werken einer Familie, deren Mitglieder das wirtschaftliche, gleichwohl aber auch das gesellschaftliche und kulturelle Leben der Stadt Bruneck mitgeprägt haben und dies auch weiterhin tun. Insofern ist Mosers Autobiographie am ehesten fruchtbar für die Geschichte der Stadt, deren Entwicklung im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert sich in dieser – wenn man sie so nennen kann – „Familienbiographie“ spiegelt.
Auf alle drei Werke trifft zu, dass sie aus der Gegenwart eines lebenden Menschen das eigene Leben Revue passieren lassen – dies ein wichtiger Unterschied zu posthum verfassten Biographien, die von außen, d.h. eventuell aus zeitlichem Abstand mit einem objektiveren Blick über eine Person berichten. Bei den drei Werken, die in der „Geschichtswerkstatt“ vorgestellt werden, ist der Blick auf das Selbst unmittelbarer, persönlicher, privater, und es ist eine besondere Gelegenheit, die drei Schreibenden nach Antrieb, Vorgehen, Zielen, Erkenntnissen und nicht zuletzt auch Schwierigkeiten zu befragen, mit denen sie im kreativen Prozess konfrontiert waren bzw. sind.