In Bruneck gab es im späten Mittelalter eine Gruppe von Frauen, die in einem Haus im ‚Oberdorf‘ (Oberragen) lebten. Mehrere Dokumente im Stadtarchiv geben Auskunft über diese Betschwestern. Karl Franz Zani stellte in einem Beitrag in der Kulturzeitschrift Der Schlern 1980 die Frage, ob im Pustertal Tirols ältestes Beginenhaus beheimatet gewesen sei.[1]
Beginen und Begutten waren in Flandern, den Niederlanden, am Rhein, in Deutschland und in Frankreich besonders stark verbreitet und widmeten sich der Frömmigkeit und dem karitativen Handeln, vor allem aber dem Gebet und der Krankenpflege.
Im Jahr 1502 erließ der Brixner Bischof Melchior von Meckau (1488−1509) eine Regel für das Brunecker Haus, aus der wir weitere Informationen über das Funktionieren der kleinen lokalen Gemeinschaft erhalten. Auch die Brunecker Betschwestern lebten demnach von Almosen frommer Menschen und dem Entgelt, das sie für ihr Gebet erhielten. Betteln war ihnen erlaubt. Es gab kein persönliches Eigentum, alles gehörte der Gemeinschaft. Das Gemeinschaftsgebäude war Außenstehenden nicht zugänglich.[2]
Die Brunecker Gemeinschaft der Betschwestern scheint erstmals in einer Urkunde vom 25. Jänner 1430 auf, als die fromme Schwester Christein die Jueklin auf dem Krankenbett dem Schwesternhaus im Oberdorf in Bruneck ihre Güter bei Niederdorf und bei Welsberg „zu hilf und zu stewr daz si ir narung dester paz gehaben mügen“ übertrug.[3] Die Stiftung sollte auch der Erbauung eines Hauses für die Gruppe zugute kommen. 1431 lebten mehr als drei Frauen im Schwesternhaus (auch Bethaus genannt), dessen genaue Lage in einer Urkunde von 1445 beschrieben ist: Ein Garten sei
„gelegen zu Brawnnegk zu nächst pey dem pett haus daz man nent der pett swester haus und stost vorn an den gemain wegk und zu der ain seyten dar an des Lienhart Reczners garten und hinten dar an der pett swester garten.“[4]
Jeder Beginen-Gemeinschaft stand eine Oberin oder Mutter vor, die wohl zugleich die älteste der Schwestern war. Der Kirche war daran gelegen, dass die Gruppen die Regel des Dritten Ordens der Franziskaner oder der Dominikaner oder aber die Augustinerregel beobachteten.[5] 1469 wurde die Brunecker Oberin Margret Scherler im Klarissenkloster in Brixen in den Dritten Orden aufgenommen. Unter ihrer Führung des Schwesternhauses wurde die Gartenfläche vergrößert sowie die Hausmauer, Türen und Fenster verbessert.
Im Stadtarchiv ist ein Fragment aus der Zeit um 1470 überliefert, das als Auszug einer Chronik der Brunecker Betschwestern gelten kann. Schwester Else im Freythof macht darin Aussagen über Aufgaben und Rechte des Schwesternhauses und weist auf die Ursprünge der Gemeinschaft in Straßburg sowie einen Priester namens Ludwig hin, der die Gruppe in Bruneck ausgestattet habe. Erwähnt sind namentlich die Schwestern Anna, Magdalena und Dorothea, die zu Margret und Dymut, die bereits im Haus ansässig waren, dazugekommen seien.[6]
Vermutlich handelt es sich bei dem Dokument um eine Abschrift. Darauf würde etwa das abschließende „etc.“ hindeuten, das nahelegt, dass der ursprüngliche Text noch ausführlicher gewesen ist. Es ist aber auch möglich, dass der vorliegende Bericht von Schwester Else selbst im Brunecker Bethaus abgefasst wurde; in diesem Fall wäre er ein bemerkenswertes Zeugnis früher Schriftlichkeit einer Frau.
Jedenfalls ist die Chronik eine wertvolle Quelle über das Schicksal der kleinen Frauengemeinschaft in Bruneck. Wir erfahren daraus etwa, dass das Betschwesternhaus „auf der Pewnt im Ober(e)ndorf“ genannt wurde. Johann Nepomuk Tinkhauser, der Brunecker Goldschmied, Sammler und Geschichtsschreiber, verortet die Peunte im Haus Nr. 6 (heute Paul-von-Sternbach-Straße Nr. 8).[7]
Die Brunecker Gemeinschaft der Betschwestern fand am Anfang des 16. Jahrhunderts ihr Ende. In den Quellen des Stadtarchivs scheint sie 1502 in Zusammenhang mit der erwähnten Regel des Bischofs Melchior von Meckau ein letztes Mal auf. Tinkhauser datiert die „letzte Spur ihres Fortbestandes“ mit dem Jahr 1519, ohne aber einen Beleg dafür zu nennen.[8]
Unklar ist die Überlieferungsgeschichte der Chronik, das Blatt weist keinerlei Kanzlei- oder Archivvermerke auf. Es fehlt auch jede Beglaubigung und Datierung. Das Blatt (32,0 : 18,0−18,3 cm) wurde einer frühen Restaurierung unterzogen und dabei auf Trägerpapier aufgeklebt. Es gehört dem Miszellenbestand an, der einen bedeutenden Teil der älteren Bestände des Brunecker Stadtarchivs umfasst und aus unterschiedlichen, heute kaum mehr zu rekonstruierenden Provenienzen stammt.
Anmerkungen
[1] Karl Franz Zani, Tirols ältestes Beginenhaus im Pustertal?, in: Der Schlern, 54. Jg. (1980), S. 593–597.
[2] Ebd., S. 596–597.
[3] Ebd., S. 593.
[4] Stadtarchiv Bruneck, Urkundenreihe Nr. 88, 25. Jänner 1430.
[5] Stadtarchiv Bruneck, Urkundenreihe Nr. 98, 15. Juni 1445.
[6] Stadtarchiv Bruneck, Urkundenreihe Nr. 140b.
[7] Hubert Stemberger (Bearb.), J.N. Tinkhauser’s Brunecker Chronik 1834. “Geschichtliche Nachrichten von der k.k. Kreisstadt Bruneck und derselben Umgebung”. Mit 147 Faksimile-Farbdrucken nach den Vorlagen des Verfassers, Bozen 1981, S. 76.
[8] Ebd.
Literatur
- Karl Franz Zani, Tirols ältestes Beginenhaus im Pustertal?, in: Der Schlern, 54. Jg. (1980), S. 593–597.
- Siglinde Clementi (Hg.), Frauenbiographien und Straßennamen. Leitfaden zur Benennung von Straßen und Plätzen in Südtirol, Bozen 2023, S. 206.