In den Jahren 1944 und 1945 war das Pustertal immer wieder Ziel der Angriffe von Flugzeugen, die versuchten, durch den Abwurf von Bomben auf Verkehrsknotenpunkte Infrastruktur zu zerstören bzw. zu schädigen. Auch die Stadt Bruneck und die Fraktionen der Stadtgemeinde waren betroffen.
Ein erster Angriff fand am 3. August 1944 statt, als eine Bomberstaffel den Brunecker Bahnhof ins Visier nahm. Die Bomben fielen großteils auf das Dorf Stegen, wo zahlreiche Häuser beschädigt wurden. Schaden nahmen auch Gebäude in der Brunecker Bahnhofstraße und ein Haus in der Rienzstraße – drei Häuser in Reischach wurden ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Zwar war in Bruneck bereits seit 1943 ein Flugmeldetrupp stationiert, der die Aufgabe hatte, frühzeitig vor Angriffen zu warnen und Alarm auszulösen, erst nach dem Angriff vom 3. August 1944 aber gab es in Bruneck bis zum Kriegsende fast täglich Fliegeralarm.
Am 9. August 1944 war das Dorf Stegen wieder von Bombardierungen betroffen. Am 16. September warf ein Nachzügler um die Mittagszeit drei Bomben über Bruneck ab. Am 3. Oktober schickte der Bautechniker Josef Mieler einen Kostenvoranschlag für die Ausbesserung der beschädigten Hausdächer von 16 Besitzern in Stegen an das Staatsbauamt in Bozen. Für die Reparaturen in der Volksschule und im Gemeindeamt von Bruneck wurden 120 Fensterscheiben im Gegenwert von 6.600 Lire in Rechnung gestellt – glimpflicher war das Ursulinenkloster mit nur acht zu ersetzenden Scheiben davon gekommen.
Neben der Reparatur von Fensterscheiben wurde auch die Ausbesserung von Mauerwerk durch die öffentliche Hand unterstützt. In Stegen wurden insgesamt etwa 5.700 Ziegel an die Hauseigentümer verteilt. Der kommissarische Bürgermeister in Bruneck, Ernst Lüfter, setzte sich darüber hinaus für eine möglichst rasche Lieferung von Zement aus Trient nach Bruneck ein. Da der Transport mit der Bahn, wie Lüfter schrieb, „fast unmöglich“ sei, sollte er mit LKW erfolgen. Als der Zement auch im Jänner 1945 noch nicht eingetroffen war, erinnerte Lüfter die Zahlmeisterei der Militärkommandatur in Trient, dass der Transport durch die Deutsche Wehrmacht durchgeführt werden sollte.
Das Staatsbauamt wies den Gemeinden neben Glas und Zement auch Eisen und Holz für die Behebung der Bombenschäden zu. Lüfter bedankte sich im Namen der Stadtgemeinde Bruneck offiziell in einem Schreiben, bemerkte aber, dass die Menge an zugewiesenem Glas kaum ausreiche, die Schäden einigermaßen beheben zu können.
Am 7. November 1944 wurde der Brunecker Bahnhof bombardiert, am 16. November schlugen mehrere Bomben an der damaligen Reichsstraße (heute Graben) vor dem Sparkassengebäude ein, wobei Schäden an der Sparkasse und an den umliegenden Häusern entstanden. Josef Mieler berichtete an das Strassenbauamt in Bozen über die Unterbrechung des Straßenverkehrs und schrieb, dass zur raschen Behebung der Schäden Arbeitskräfte des Luftschutzbauamtes Bruneck und der Bauunternehmung Josef Rainer eingesetzt seien. Unklar war, welche Stelle für die Bezahlung dieser Arbeiter und die Reparaturkosten aufkommen sollte.
Die Brunecker*innen hatten sich mittlerweile um die Einrichtung von Luftschutzmöglichkeiten bemüht, am 3. November 1944 hatte der Bürgermeister den zuständigen Ingenieur am Staatsbauamt zu einer Besichtigung der Luftschutzstollen eingeladen. Offenbar war die Lage mittlerweile sehr angespannt: Der kommissarische Präfekt Karl Tinzl ordnete an, dass ihm die Gemeinden nach Luftangriffen unverzüglich Lageberichte übermitteln sollten, und zwar „fernmündlich [= telefonisch] spätestens 2 bis 4 Stunden nach erfolgten Angriffen“. Diese Anweisung vom 27. November 1944 wurde am 19. Jänner 1945 wiederholt und durch den Passus ergänzt, dass neben den telefonischen Lage- auch kurze schriftliche Tagesberichte eingehen müssten.
Erstmals waren am 29. Dezember 1944 auch Schäden auf der nördlichen Talseite, in Dietenheim, zu beklagen, als um die Mittagszeit Bomben einschlugen. Im Dorf zerbarsten etwa 50 Fensterscheiben und in den Feldern wurden tiefe Trichter aufgerissen. Es gab aber wie bei den vorhergehenden Angriffen keine Verletzten oder gar Toten. Josef Mieler berichtete im Namen des kommissarischen Bürgermeisters an den Präfekten: „Es dürfte sich um einen Notabwurf handeln. Eine fernmündliche Verständigung unmittelbar nach dem erfolgten Abwurf war nicht möglich, da die Telefonleitung gestört war.“ Am 17. Jänner 1945 suchte Mieler beim Staatsbauamt um Ersatz für insgesamt ca. 15 m2 Fensterglas an.
Das letzte Kriegsjahr 1945 brachte weiteren Sachschaden durch Bomben mit sich. Einen Höhepunkt der Angriffe bildete die sogenannte Brennerschlacht im Frühjahr, in der B‑25-Flugzeuge von Korsika aus operierten und mehrmals die mittlere Brennerstrecke mit dem Hauptziel Salurn angriffen. Gleichzeitig erfolgten Tieffliegerangriffe auf Auer, Innichen und Bruneck. Am 23. Februar wurden bei einem derartigen Angriff auf Bruneck zwei Automobile zerschossen, drei Tage später griffen drei Jagdbomber den Bahnhof an und durchlöcherten eine alte Littorina (einen Antriebswagen), wobei auch eine Stromleitung getroffen und die Stromversorgung der Stadt unterbrochen wurde. Weitere Bomben, die keinen Schaden anrichteten, fielen am selben Tag zwischen Bruneck und St. Lorenzen.
Am 28. Februar 1945 erging ein Rundschreiben des Präfekten, wonach entlang der Straßen zum Schutz gegen Fliegerangriffe Deckungsgräben auszuheben seien. Die Kosten für diese „Fliegerdeckungslöcher“ würde die Wehrmacht tragen, die Arbeiter würden nach dem „Wehrmachtstarif“ entlohnt. Als am selben Tag sieben Flugzeuge einen Angriff auf den Brunecker Bahnhof flogen, kamen auch Menschen zu Schaden. Vier Personen, von denen drei dem Militär angehörten, starben, etwa 15 Personen wurden verwundet. 133 Zivilisten verloren ihr Obdach, da zahlreiche Gebäude in der Bahnhofstraße, beschädigt und vorübergehend unbewohnbar wurden — auch der Kindergarten in der Bahnhofstraße (heute Michael-Pacher-Straße) war getroffen. Schäden trugen die Ortskommandatur in der Villa Harpf, das Hotel Bruneck, der Gasthof Blitzburg, die Gebäude und Magazine der Firma Webhofer, Villa Kostner, Villa Maria und Villa Pasquazzi davon.
Der Bürgermeister schrieb an das Staatsbauamt, dass die Beschädigungen der Hausdächer größer seien als ursprünglich angenommen und dass der Mangel an Wohnungen dazu zwinge, eine möglichst große Anzahl von Häusern rasch wieder bewohnbar zu machen. Zu diesem Zweck ersuchte er um die Zuweisung von Schnittholz, Drahtstiften, Fensterglas und Zement in genügender Menge. Aus Bozen traf aber eine ernüchternde Antwort ein:
„Die Knappheit der Vorräte gestattet mir nicht Ihrem Ansuchen um Zuteilung von 500 qm. Glas voll zu entsprechen. Ich verweise darauf, dass auch in Bozen in der Regel für je einen Raum nur 1 bis 2 Scheiben bewilligt werden, der Rest der Fensteröffnungen ist mit Karton (Pappe) zu verschliessen, für die ich auf Ansuchen Bezugsscheine ausstelle. […] Ausbesserungen am Mauerwerk sind im allgemeinen mit Weisskalk vorzunehmen, Schönheitsarbeiten (Putz und Tünchung) auf die Nachkriegszeit zurückzustellen.“
Den Bruneckern blieb wenig Zeit zum Durchatmen, bereits am 5. März 1945 fielen weitere Bomben auf die Bahnhofsgegend. Lüfter berichtete an den Präfekten, dass der Angriff ohne Warnung erfolgt sei:
„Drei Villen sind […] wegen Beschädigung der Türen und Fenster unbewohnbar geworden. Die Wechsel zum Abstellgeleise der Wehrmacht weisen starke Beschädigungen auf. Bei Einsatz von genügend Arbeitskräften könnte, laut Angabe eines Fachmannes, der Schaden innerhalb 24 Stunden behoben werden. Tote und Verletzte sind nicht zu beklagen. Wegen Unterbrechung der Telefonlinie konnte eine fernmündliche Berichterstattung nicht gemacht werden.“
Am 13. März 1945 wurde die Eisenbahnbrücke von Percha zerstört. Am 19. März schossen niedrig fliegende Jagdbomber zwischen Sonnenburg und Bruneck drei fahrende Autos in Brand. Am 8. April, einem Sonntag, fielen zu Mittag etwa 20 Sprengbomben auf das Gebiet von St. Georgen und Stegenerberg, wobei tiefe Trichter im Boden zurückblieben. Luftdruck und Splitterwirkung richteten Schäden an Dächern und Fenstern an, das Auenfischer-Anwesen wurde vorübergehend unbewohnbar. Etwa 20 Personen verloren ihr Obdach, die Tauferer Straße wurde beschädigt, eine Person erlitt schwere Verletzungen. In der Stadt Bruneck, aber auch in Dietenheim und Aufhofen gingen einmal mehr Glasscheiben zu Bruch.
Mit einem tragischen Ereignis endete am 20. April 1945 die Geschichte der Bombardierungen des mittleren Pustertals: Zwei Brüder verloren beim Versuch, einen Blindgänger zu entschärfen, der beim Rückflug einiger Bomber gefallen war, ihr Leben.
Quellen
- Stadtarchiv Bruneck, Karton 480: Kriegsschäden 1945. Schätzungen, Baumaterialien für Bombenschäden, Luftschutzmaßnahmen und Bauten im Allgemeinen.
Literatur
- Thomas Albrich, Luftkrieg über der Alpenfestung 1943–1945. Der Gau Tirol-Vorarlberg und die Operationszone Alpenvorland, Universitätsverlag Wagner Innsbruck 2014.
Dieser Text wurde (als gekürzte Fassung) erstmals veröffentlicht in: Info Seniores, Mai 2015, S. 6–7.