Im Juni 1871 zirkulierte in Bruneck ein gedrucktes Veranstaltungsprogramm, das Spektakuläres ankündigte: Eine „Sammlung wilder gebändigter Thiere, dressirt von einer jungen Dame, welche mit Löwen und Hyänen in einem Käfig manövrirt“. Thaddäus Kullmann, der seine Tiere bereits in Brixen zur Schau gestellt hatte, präzisierte in einem Brief an den Brunecker Bürgermeister Johann von Zieglauer sein Angebot: „Die Menagerie besteht aus 2 Löwen, die schönsten Exemplare welche gezeigt werden, und 3 Wägen Thire verschiedener Gattung, wo ein Riesenbär ebenso der Sielbermann aus Afrika die besonderste Aufmerksamkeit verdient.“ Mit „Silbermann“ war der im Programm erwähnte „Waldmensch“, also ein Menschenaffe, gemeint.
Eine Annonce im Pusterthaler Boten vom 23. Juni 1871 hob hervor, dass dieser Affe „in der Heimath aufrecht gehend sich mit Stock und Stein vertheidigt etc.“
Der Begriff „Menagerie“ bezeichnete ursprünglich die höfische Tierhaltung und somit eine Vorläuferform des zoologischen Gartens. Aus den höfischen Menagerien entwickelten sich die sogenannten Wandermenagerien, die durchs Land zogen, auf Jahrmärkten gastierten und exotische, zum Teil auch einheimische Wildtiere zur Schau stellten: Zum Repertoire von Kullmann’s Menagerie gehörte ein „Königs-Adler aus den Tyroler Alpen, sehr gefährlich für Kinder.“ Während der Anwesenheit in der Stadt wurden, wie das Programm verkündet, auch „fortwährend Affen und Vögel“ eingekauft und verkauft.
Menagerien waren in Bruneck immer wieder zu Gast, wovon neben den erhaltenen Programmzetteln Artikel und Inserate in den Zeitungen der Zeit, namentlich im Pusterthaler Boten, Zeugnis geben. Eine frühe Ankündigung aus dem März 1858 ist noch sehr kurz gehalten: „Morgen und die nächsten Tage ist hier eine Abtheilung der bekannten Kreuzberg’schen Menagerie auf dem Platze neben der neuen Post zu sehen.“
In der Folge wurden die Ankündigungen ausführlicher und anschaulicher: Im Mai 1865 machte eine Menagerie in Bruneck Station, bei welcher ein Löwe, ein Jaguar, ein Panther, eine Hyäne, ein „Edel- oder Arus-Hirsch aus der Insel Java“ und andere Raubtiere vorgeführt wurden. Im August 1877 gab es eine „Große Menagerie“ beim Adlergarten, die „einen afrikanischen Elephanten, ferner eine große Anzahl von Raubthieren, lauter Prachtexemplare, Vögel vom Strauß herab bis zu Papageien, auch Affen und Schlangen“ zur Schau stellte. Auch in diesem Fall wurde eigens darauf hingewiesen, dass Affen und Vögel verkauft und angekauft würden.
Im März 1895 war Berg’s Menagerie zu Gast und der Pusterthaler Bote vermeldete, in Bruneck wäre „noch keine so große Menagerie gewesen“. Im Oktober 1898 traf „nachts aus Lienz kommend mittels Separatzug“ Kludsky’s Menagerie in Bruneck ein und wurde auf der Wiese zwischen dem Hotel Bruneck und dem Magistratsgebäude (der heutigen Mittelschule Meusburger) aufgestellt. Der Pusterthaler Bote vermeldete neuerlich einen Superlativ: „In Bruneck war noch keine so große Menagerie mit so vielen Thieren (über 150 Stück), darunter wahre Prachtexemplare von Löwen, Tieger u.s.w. zu sehen. Wir können den Besuch derselben Jedermann nur bestens empfehlen.“ In derselben Ausgabe der Zeitung ist auch eine Anzeige abgedruckt, die Kludsky’s Tierschau als größte ihrer Art in Europa bewarb und besonders auf einen „Riesen-Elefant“ hinwies, der angeblich 110 Jahre alt war. Zu sehen gab es neben den Löwen und Tigern auch Panther, Eisbären, ein Zebra und andere exotische Tiere.
Durch die Zeitungsartikel gewinnen wir Einblick in das Funktionieren des fahrenden Gewerbes der Wandermenagerie. Aus einem Bericht über den Besuch der Madame Witwe Otto aus Dresden im Mai 1865 etwa geht hervor, dass diese im Rahmen eines Jahrmarktes in Bruneck gastierte. Es gab eine „Bude“, in der sich am Markttag zahlreiche Menschen drängten, unter die sich auch Taschendiebe mischten. Der Artikel gibt zudem Auskunft über die Reiseroute der Menagerie, die in Kufstein, Innsbruck, Sterzing und Brixen zu Gast gewesen war und von Bruneck nach Lienz, Spittal an der Drau, Villach, Klagenfurt, Marburg und Graz weiterzog.
An anderer Stelle erfahren wir, dass eine Menagerie im Jahr 1885 ebenfalls anlässlich eines Marktes, nämlich des Sonnewendmarktes im Juni, in Bruneck ihr Lager aufschlug. Neben der Tierschau gab es hier auch einen „Circus“. Im Oktober 1910 bot die bereits mit Bruneck vertraute Menagerie Kludsky zeitgleich mit dem Stegener Markt ihre Veranstaltungen an, die mit 20 Wagen eintraf und hinter der Sternkaserne, d.h. im sogenannten Sterngarten hinter dem heutigen Michael-Pacher-Haus aufgestellt wurde.
In den Menagerien fanden am Nachmittag und am Abend Vorführungen und die öffentlichen Fütterungen statt, denen man nach Bezahlung von Eintrittsgeld beiwohnen konnte. Thaddäus Kullmann stellte 1871 für „Lehrkörper mit Schülern und Institute mit Zöglingen“ eine angemessene Ermäßigung der Eintrittspreise in Aussicht. Ein Hinweis aus dem Tiroler Volksblatt von 1895 bestätigt, dass den Menagerien pädagogischer Wert beigemessen wurde: Die Produktionen der Madame Nouma Hava und des Direktors Bucher etwa würden „eine von jedem marktschreierischen oder undecenten Wesen weit entfernte Ruhe und vornehme Eleganz der Bewegungen verbinden“, weshalb es sich anbiete, „daß möglichst auch den Schulen Gelegenheit zum belehrenden Besuche dieser prächtigen Thiersammlung geboten würde.“
In den Zeitungen des frühen 20. Jahrhunderts werden die Hinweise auf fahrende Menagerien seltener. Eine späte Ankündigung findet sich im Pustertaler Boten vom 4. Juli 1924: „Der große Zirkus Coßmy mit Menagerie trifft heute Donnerstag hier ein und wird morgen Freitag am Viehmarktplatze mit den Vorstellungen beginnen.“
Es kann am Aufkommen des Tierschutzgedankens liegen, dass die Menagerien aus der Mode kamen. Nicht nur die Reisestrapazen, sondern auch enge und nicht ausreichend gewartete Käfige und Gehege waren ein Problem. In den Zeitungen finden sich Berichte über aus Menagerien entlaufene Wildtiere, die ihr Unwesen trieben. Zudem gab es immer wieder auch schwere Unfälle: 1888 etwa wurde während einer Vorführung eine Tierbändigerin in Kludky’s Wandermenagerie von einem Königstiger angegriffen und getötet. 1898 steckte ein Fleischhauer einem Elefanten eine brennende Zigarette in den Rüssel, worauf das Tier den Mann in die Höhe hob und mit voller Kraft zu Boden schleuderte. Im Fasching 1906 wartete man in Sand in Taufers vergeblich auf die Ankunft einer Menagerie mit Tieren aus Amerika. Diese hatte, wie später bekannt wurde, „bei einem Sturme auf dem Meere Schiffbruch gelitten.“
Im 19. Jahrhundert etablierte sich das Konzept des zoologischen Gartens und Tiere konnten jetzt unter besseren Bedingungen gehalten und den interessierten Besucherinnen und Besuchern zur Schau gestellt werden. Tierparks gab es allerdings nur in großen Städten, weshalb sich eine andere Branche des fahrenden Gewerbes darum bemühte, auch den Menschen auf dem Land exotische Tiere nahezubringen: Eine letzte Spur der fahrenden Menagerien ist im Wanderzirkus erhalten geblieben, bei dem bis heute Tiere neben Artist/innen, Musikant/innen und Clowns zur Unterhaltung beitragen.
Dieser Text wurde zuerst veröffentlicht in: Info Seniores Mai 2021, S. 12–13.