Dieses Siegel aus rotem Wachs an einer Urkunde aus dem Jahr 1356 zeigt einen schlanken Turm und die Umschrift „+ S : CIVIVM . CI[VIT]ATIS . PRAVNEKE“ (Siegel der Bürger der Stadt Bruneck). Es ist das älteste erhaltene Zeugnis der Verwendung dieses Siegelstempels. Ein zweites Mal begegnet er an einer Urkunde aus dem Jahr 1382, die ebenfalls im Stadtarchiv verwahrt wird.
Dasselbe Motiv findet sich auf einem zweiten Siegel, das 1370 erstmals an eine städtische Urkunde gehängt wurde. Es zeigt denselben Turm und die Umschrift „+ S . CIVIVM . CIVITATIS . PRAVNEKE“, und ist größer (Durchmesser 54 mm) als das Siegel von 1356 (34 mm).
Der Turm mit Wehrgang symbolisiert wohl den mittelalterlichen Begriff der befestigten Stadt. Der Brunecker Schriftsteller und Heimatforscher Paul Tschurtschenthaler (1874–1941) aber vertrat die Meinung, dass für das Siegelbild der Bergfried der Brunecker Burg Pate gestanden hatte.
Die Urkunde, an der das kleinere Siegel hängt, ist mit dem 13. Mai 1356 datiert (Abbildung 2), jene mit dem größeren Siegel mit dem 15. Juni 1370 (Abbildung 3). Die Vermutung, dass das Siegel den Turm der Neukirche (der späteren Ursulinenkirche) zeigt, ist somit nur plausibel, wenn es einen Vorgängerbau gab oder aber der Turm älter ist als bisher angenommen.
In der älteren Urkunde selbst geht es um den Verkauf eines Ackers auf dem Rienzfeld, in der neueren um die Stiftung von vier täglichen Messen, die in der Liebfrauenkirche im Ragen sowie in der Rainkirche von vier Priestern zu lesen sind, die im neuerbauten Widum wohnen.
An einer Urkunde im Stadtarchiv, die mit dem 16. Februar 1539 datiert ist, findet sich erstmals ein weiteres Stadtsiegel, das einen etwas anderen Bildeindruck vermittelt. Dieses Siegel ist auch an einer späteren Urkunde vom 2. Juni 1677 angebracht (Abbildung 5). Zwar ist auch hier in Wappenform ein Turm über einer Ringmauer mit Zinnen zu sehen, allerdings fehlt die Darstellung des Wehrganges gänzlich. Die Ringmauer ist zudem mit zwei Fenstern durchbrochen, am Tor ist ein Fallgitter sichtbar. Die Umschrift lautet jetzt: “SIGILLVM * CIVITATIS * PRAVNEGK *” (Abbildung 4). Bemerkenswert ist, dass der Turm nicht eine, sondern zwei Spitzen zu haben scheint. Eventuell, d.h. das Dach könnte mit etwas Phantasie als Walmdach interpretiert werden, wie es in Bruneck heute nur noch am Florianitor zwischen Graben und Florianigasse, nicht aber an Kirch- oder Schlosstürmen zu sehen ist.
Weitere Informationen zum Stadtsiegel und dessen Parallelen zum Stadtwappen finden Sie hier.