Dieser Situationsplan der Brunecker Oberstadt (Ausschnitt aus Abb. 2) wurde 1842 im Zuge einer Neugestaltung des Areals zwischen dem Goldschmiedhaus (später Seeböckhaus), dem neuen Binderhaus („Binder Bichl“, links unten) und dem Unterrainertor (rechts) vom Maurermeister Franz Nocker gezeichnet. Von diesem künstlerisch begabten Handwerker stammen mehrere Baupläne für öffentliche und private Gebäude, die den Akten im Stadtarchiv beigelegt sind, etwa ein Projekt für das Haus der Magdalena Orlander (Abb. 3) oder die sogenannte Harrasser-Mühle (Abb. 4). Diese Pläne sind — neben den schriftlichen Aufzeichnungen — wichtige Quellen für die Entwicklung der Stadt und ihrer Gebäude.
Das Bauprojekt im Oberragen wurde durch eine öffentliche Versteigerung vergeben, aus der Franz Nocker als Sieger hervorging. Es sah mehrere Eingriffe in das Erscheinungsbild des Areals vor, die in einer Baubeschreibung aus dem Jahr 1839 anschaulich geschildert sind. Der Platz wurde zunächst planiert, wobei das abgetragene Material gleich wieder zum Auffüllen an anderen Stellen verwendet wurde. Vom Eck des Goldschmiedhauses wurde eine Trockenmauer bis zum Binderhaus (Kordonhaus) errichtet, die etwa zwei Schuh hoch war (1 Tiroler Schuh oder Fuß entsprach ca. 33 cm). Die Mauer sollte nicht aus Bachsteinen, sondern aus “durchaus lagerhaften und gesunden” Steinen bestehen. Auf der Mauerkrone wurden Geländer aus Lärchenholz angebracht, die mit grauer “Ölsilberfarbe” gestrichen wurden. Schließlich wurde ein “Durchfluss” vom Goldschmiedhaus zur Mitte des Platzes hergestellt, der mit zwei Schuh dicken Seitenmauern eingegrenzt, an der Sohle gepflastert und mit Granitplatten abgedeckt wurde. Dieser diente zur Ableitung des Wassers in den bereits vorhandenen, im Plan ebenfalls eingezeichneten und in die Rienz mündenden Kanal. Zuletzt wurde die gesamte Fläche gepflastert. Auf einer historischen Postkarte aus der Zeit um 1920 sind die Mauer vor dem Goldschmiedhaus samt Geländer und das Kopfsteinpflaster gut zu sehen (Abb. 5).
In der unteren Hälfte des Planausschnittes über die Gestaltung des Platzes sind das Schmiedhaus, die Stiegelemühle und die Bürgerwiere zu erkennen, die bei der katastrophalen Überschwemmung im Jahr 1882 zerstört und nicht wieder aufgebaut wurden. Zwei fotografische Aufnahmen (vorher und nachher) illustrieren das Ausmaß der Katastrophe an dieser Stelle (Abb. 6 und 7).
Bildnachweis:
Abb. 2: Plan über die Regulierung der Stadtgasse beim Binderhaus, aquarellierte Federzeichnung des Maurermeisters Franz Nocker, [1842]. Stadtarchiv Bruneck, Magistratsakten über Kommunal- und Stiftungsbauten 1842. © Stadtarchiv Bruneck.
Abb. 3: Blann fir Magdalenna Orlander zur Erpauung einnes neienn Zimmer und Küche zu Ebener Erde, aquarellierte Federzeichnung, signiert von Franz Noker (Nocker), dat. 1842. © Stadtarchiv Bruneck.
Abb. 4: Blann fir denn Hern Johann Huber Miller Meister (sog. Harrasser-Müller) zur Erpaung einnes neien Ofenn in Ersten Stock rickwärzig und ein neies Kammerly auß denn Österich einzie[…]en im Hauß No 174, aquarellierte Federzeichnung, signiert von Nocker Maurermeister, dat. 1842. © Stadtarchiv Bruneck.
Abb. 5: Das Goldschmied- oder Seeböckhaus. Ansichtskarte, ca. 1920. Stadtarchiv Bruneck, Sammlung Weissteiner. © Stadtarchiv Bruneck.
Abb. 6: Die an die Rienz angrenzenden Gebäude vor der Überschwemmung von 1882. Unbekannter Fotograf, Diapositiv. © Archiv Mahl – dipdruck.
Abb. 7: Der Blick vom “Binder Bichl” Richtung Nordwesten, 1882. Fotografie von Alois Kofler, Diapositiv. © Archiv Mahl – dipdruck.